In Sigmaringen herrscht Aufregung wegen vermeintlich krimineller Asylbewerber. Bei näherer Betrachtung zeigt es sich, dass dabei viele Ängste geschürt und Zerrbilder verbreitet werden, kommentiert Redakteur Rüdiger Bäßler.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Sigmaringen - Die Bewohner Sigmaringens sind im vergangenen Jahr durch die Zuweisung von mehr als 2600 Flüchtlingen in die Graf-Stauffenberg-Kaserne heillos überfordert worden. Das sich ausbreitende Gefühl von Bedrängnis, das ja wirklich eine räumliche Dimension besaß, führte zu teilweise hysterischen Protesten, wie sie beispielsweise aus dem örtlichen Krankenhaus zu hören waren. Agitatoren in den sozialen Medien verstärkten und multiplizierten solche Misstöne. Sozialexperten vor Ort sagen nun, 600 Menschen, wie jetzt noch in der Unterkunft leben, seien die Obergrenze. Die Zuweisungsbehörden sollten für alle Zukunft darauf hören.

 

Ein weiterer Ratschlag richtet sich an Journalisten, die glauben, ihrem Publikum im Dienste umfassender Wahrheit jeden Tabakdiebstahl eines Flüchtlings unterbreiten zu müssen. Wer über Asylbewerber die detektivische Lupe hält wie über keine andere Gruppe sonst, klärt nicht auf, sondern schafft schädliche Zerrbilder.

Zuletzt sei bemerkt, dass innerhalb der Landespolizei der Gedanke, mutmaßlichen Mehrfachtätern aus Flüchtlingskreisen mit Sonderkräften begegnen zu müssen, mehr und mehr an Charme zu gewinnen scheint. Im Fall Sigmaringen, wo es um Kleindiebstähle, Müll und Lärm geht, wirkt die Polizei jedoch weniger souverän als vielmehr vom Populismus getrieben. Der Heilbronner Polizeipräsident Hartmut Grasmück lässt lieber im Stillen ermitteln; einer vergleichbaren Sondertruppe erteilte er kürzlich eine Absage. Ein kluger Mann.