Der Intendant hat es sicher nur gut gemeint. Dem Orchester, der Stadt und sich selbst hat er mit dem Gebaren aber keinen Gefallen getan, meint StZ-Autor Jörg Nauke.

Stuttgart - Die Stuttgarter Philharmoniker zählen zu den bekanntesten Botschaftern der Landeshauptstadt, sie bereichern das Kulturleben in Stadt, Region und Land, gewinnen junges Publikum für die klassische Musik und sind beim Thema Inklusion präsent. Alle Vorzüge – und auch der Umstand, dass der Klangkörper wie die Mehrzahl der Kultureinrichtungen seinen Betrieb für chronisch unterfinanziert erachten dürfte – können aber nicht als Rechtfertigung dafür herhalten, über einen langen Zeitraum hinweg das Budget zu überziehen. Wären die Philharmoniker keine Abteilung des Kulturamts, würde wohl längst der Kuckuck auf den Instrumenten kleben. Drei Jahre in Folge die Grenzen zu ignorieren ist schon deshalb risikobehaftet, weil die Philharmoniker bereits Gelb gesehen haben, als der Landesrechnungshof 2012 eine mangelnde Auslastung kritisiert hatte. Die seitdem im Raum stehende Drohung des Landes, aus der Mitfinanzierung auszusteigen, führt nun dazu, dass die Stadt das Defizit vorsorglich alleine trägt.

 

Auch wenn man bei der Stadt davon ausgeht, dass der verantwortliche Intendant Michael Stille das Geld zweckgerichtet verwendet hat, kann er sich mehr als glücklich schätzen, wenn auch mit gekürztem Gehalt, wenigstens die künstlerische Leitung behalten zu dürfen. Auch eine Trennung stand zur Disposition. Wie schwer es aber ist, eine Führungskraft zu akzeptablen Konditionen loszuwerden, hat man unlängst im Klinikum gesehen. Der goldene Handschlag ist Führungskräften offenbar gewiss.

Die Vertragsverlängerung mit dem Dirigenten werden zur Nagelprobe

Im Verwaltungsrat war man sich zum Glück einig, das Defizit nicht zu mindern, indem freie Stellen unbesetzt bleiben. Äußerungen des Orchestervorstands lassen vermuten, dass jenseits des Mittelbedarfs Herausforderungen warten. Von fehlenden Visionen ist die Rede, von drohenden Lücken im Spielplan, die zur drastischen Unterbeschäftigung des Orchesters führten. Kulturbürgermeisterin Eisenmann fragt sich, wie es weitergeht. Das wird sie in Kürze mit dem Dirigenten Dan Ettinger diskutieren, dessen Vertragsverlängerung ansteht. Hilfreich ist in diesem Zusammenhang die Botschaft, dass der finanzielle Neustart gesichert ist. Zum Glück ist die verwaltungsinterne Kürzungsorgie abgesagt worden. Davon wären wohl auch die Philharmoniker betroffen gewesen.