Die Gräben zwischen Bundestrainer und Mannschaft sind tief. Für unseren Redakteur Jürgen Frey birgt das Festhalten an Christian Prokop mit Blick auf die Heim-WM 2019 ein großes Risiko.

Sport: Jürgen Frey (jüf)

Stuttgart - Er hat einen Vertrag bis 2022. Er musste für eine halbe Million Euro aus einem bestehenden Vertragsverhältnis herausgekauft werden. Die Trennung von Christian Prokop wäre zum teuersten Missverständnis in der Geschichte des Deutschen Handballbundes (DHB) geworden. Dass der finanziell nicht auf Rosen gebettete größte Handballverband der Welt vor allem deshalb am Bundestrainer festhielt, lässt sich nur mutmaßen. Klar ist dagegen: Die wochenlange Hängepartie um seine Zukunft kam einem Trauerspiel gleich. Ein großer Schaden bleibt. Der Coach geht angeschlagen in die Vorbereitung auf die Heim-WM. Er kommt bei jedem Testspiel unters Brennglas.

 

Fehler wurden bereits vor der EM gemacht. Dass der Wechsel von Dagur Sigurdsson zu Christian Prokop nicht ohne Brüche vonstatten gehen würde, war eigentlich klar. Doch statt die mittel- und langfristig angelegte Arbeit des international unerfahrenen Prokop in den Vordergrund zu stellen, setzte ihn der Verband bei der EM kurzfristig unter Erfolgsdruck. DHB-Vizepräsident Bob Hanning versprach explizit Siege. Ohne Not.

Schwaches Krisenmanagment

Auch in Sachen Krisenmanagement versagte der DHB. Nachdem die Entfremdung zwischen Trainer und Mannschaft mit der Nichtnominierung von Finn Lemke vor dem EM-Start begonnen hatte, gelang es keinem DHB-Funktionär, keinem Bindeglied im Team, die atmosphärischen Störungen zu moderieren und gegenzusteuern. Am Ende waren die Gräben zwischen Prokop und dem Großteil der Mannschaft so tief wie der Grand Canyon. Ob diese in Zukunft zu überwinden sind, ist sehr fraglich. Prokop hatte bei der EM viele Fehler gemacht, die an seiner eigentlich unbestrittenen fachlichen Qualifikation zweifeln lassen. Sein größter: Er hatte das Team beim Versuch der Weiterentwicklung nicht mitgenommen. Er verlor sich in Akribie und Details. Die Spieler folgten ihm nicht mehr, ihnen fehlte das Vertrauen.

Bei der internen Aufarbeitung gestand Prokop nun alle seine Fehler ein. Das ehrt ihn. Er muss sein System künftig viel stärker der Mannschaft anpassen. Dies reicht aber nicht. Er muss auch personelle Konsequenzen ziehen. Nur Spieler, die auch für ihn ohne Wenn und Aber durchs Feuer gehen, darf er zum nächsten Lehrgang nominieren. Sonst wird die Heim-WM 2019 zum Fiasko. Und das würde den deutschen Handball noch teurer zu stehen kommen, als eine vorzeitige Trennung von Prokop.