Im Glauben an die Wirtschaftsregion Baden-Württemberg erschüttert: Die Schließung des Ulmer Lastwagenwerks ist mehr als eine schmerzliche Maßnahme, findet StZ-Redakteur Rüdiger Bäßler.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Ulm - Das Verschwinden der Iveco-Sattelschlepper aus Ulm tut aus zwei Gründen weh: weil es um gut 1000 Arbeitsplätze geht, aber noch mehr, weil die Verlagerung der Montage nach Madrid den Glauben einer bisher starken baden-württembergischen Wirtschaftsregion daran erschüttert, dass es noch irgendeinen Industriebereich geben könnte, dessen Tradition einen Schutzschild gegen ein Verschwinden bildet.

 

Der Bau schwerer Nutzfahrzeuge an der Donau, vertreten durch die Namen Karl Kässbohrer, Hermann Magirus oder Franz Xaver Kögel, gehörte während der gesamten Nachkriegszeit zum wirtschaftlichen Fundament Ulms. Die Busse und Lastwagen waren gleichsam Symbol einer starken, selbstbewussten, aufstrebenden Stadt. Kögel, der Hersteller von Sattelaufliegern, produziert schon seit der Insolvenz 2009 nicht mehr in Ulm. Die Daimler-Tochter Evobus im benachbarten Neu-Ulm befindet sich in Turbulenzen. Und jetzt also das Aus für Iveco, dünnlippig verkündet von der Konzernzentrale in Mailand.

In das Gefühl von Machtlosigkeit, die mehr als 1000 Arbeiter seit Bekanntwerden der Verlagerungspläne nach Madrid spüren, mischten sich in der vergangenen Woche Wut und Misstrauen. Nach seriösen italienischen Agenturmeldungen soll die spanische Regierung dem Konzern Fiat Industrial Steuererleichterungen und finanzielle Anreize in Höhe von 500 Millionen Euro für die Verlagerung ihres Werks in Ulm versprochen haben. Zugleich benötigen Spaniens Banken etwa 60 Milliarden Euro, die nötigen EU-Finanzhilfen kommen vor allem auch aus Deutschland.

Sogar die Bundespolitik ist mittlerweile alarmiert. Das baden-württembergische Finanzministerium erklärt, es habe das Iveco-Werk in Madrid „im Fokus“, man werde in Brüssel „gegebenenfalls den Anstoß zu einer Überprüfung geben“. Regionale Arbeitsplätze, abgebaut mit Hilfe deutscher Steuerhilfsgelder, das wäre skandalös. Seltsam, dass die Iveco-Konzernspitze sich nicht bemüßigt fühlt, ein klärendes Wort zu sprechen. Solange das nicht passiert, sind Zweifel berechtigt.