Nach dem Debakel in Bremen droht das Team von Trainer Kramny zu zerfallen. Die Verantwortlichen und die Spieler klammern sich an den letzten Rest Hoffnung, kommentiert Sportredakteur Peter Stolterfoht.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - Stuttgart - Schonungsloser hätte die Zustandsbeschreibung beim VfB Stuttgart nicht ausfallen können. Der aktuelle Tabellensiebzehnte der Fußball-Bundesliga ist in einer desolaten Verfassung!!!!!! Die Ausrufezeichen hinter dieser Feststellung stehen für jedes Tor, das die Mannschaft von Jürgen Kramny an diesem denkwürdigen Montagabend beim 2:6 bei Werder Bremen kassiert hat.

 

Auch wenn es sich jetzt so anfühlt: Der VfB ist noch nicht abgestiegen. Ob das auch die Spieler wissen, nachdem der Verein diese Partie mit Symbolik überfrachtet und zum alles entscheidenden Schicksalspiel stilisiert hat? Zum Beispiel mit einem von Anfang an fragwürdigen Trainingslager auf Mallorca, das inklusive eines von Spott begleiteten ständigen Hin-und-her-Geflieges zwischen Palma, Stuttgart und Bremen wohl eher Unruhe als die beabsichtigte Ruhe in den Verein gebracht hat.

Viele falsche Entscheidungen

Dass der VfB Stuttgart jetzt schon wieder mit einem Bein in der zweiten Liga steht, ist aber natürlich nicht allein mit diesem jüngsten Fehler zu erklären. Auch nicht in erster Linie mit dem Verletzungspech, das der VfB in dieser Saison zweifelsohne hat. Der drohende Absturz ins Bodenlose ist das Ergebnis vieler falscher Entscheidungen. Angefangen mit der in der Nachbetrachtung absurden Entscheidung vor der Saison, einen unkontrollierbaren Trainer Alexander Zorniger zu installieren. Auch die Kaderplanung ging an den offensichtlichen Stuttgarter Problemen vorbei. Die Innenverteidigung, die ihre Bundesligauntauglichkeit in Bremen erneut eindrucksvoll bewiesen hat, wurde nicht verstärkt, sondern durch diverse Fehleinkäufe nur noch mehr geschwächt.

Die Erfolglosigkeit zieht sich nicht nur durch diese Saison, sondern ist beim VfB zu einem Dauerzustand geworden. Deshalb muss sich nach dieser Spielzeit – ganz egal wie sie nun ausgeht – etwas Grundlegendes ändern. Die Vereinsführung um den Präsidenten Bernd Wahler verweist in diesem Zusammenhang auf die Ausgliederung der Profiabteilung, die bei der Hauptversammlung am 17. Juli von den Mitgliedern beschlossen werden und dem VfB Stuttgart in der Folge einmalig rund 60 Millionen Euro in die Kasse spülen soll.

Der Klub braucht Hilfe von außen

Doch diese Abstimmung droht unter dem Eindruck der Krise zu einer ganz anderen Wahl zu werden. Die Mitglieder könnten an der prinzipiell sinnvollen Sache vorbei mit ihrem Nein zur Ausgliederung die Arbeit des Präsidenten und seines Sportvorstands Robin Dutt bewerten wollen. Was aber nichts daran ändert, dass der VfB in der verfahrenen Situation Hilfe von außen braucht. Der Club muss sich in jedem Fall runderneuern. Die Vergangenheit hat allerdings deutlich gezeigt, dass der VfB dies aus sich selbst heraus nicht mehr schafft. Personalwechsel im Aufsichtsrat und im Vorstand haben rein gar nichts an der mittlerweile völlig verfahrenen Situation geändert.

Daimler als Retter in der Not?

Das sollte auch dem Nachbarn Daimler zu denken geben, der im Falle einer Ausgliederung als Partner über die bisherige Sponsorentätigkeit hinaus finanziell stärker einsteigen will. Allein mit Geld ist es beim VfB aber nicht mehr getan. Der Club scheint Unterstützung auf allen Ebenen zu benötigen – zum Beispiel bei Personalplanung und in der Strukturentwicklung. So kann jetzt darüber spekuliert werden, was wohl passiert wäre, wenn der Daimler-Chef Dieter Zetsche die stattgefundenen Gespräche mit dem noch in der vergangenen Saison sehr am VfB interessierten jetzigen Dortmunder Trainer Thomas Tuchel zu einem Vertragsabschluss geführt hätte.

Da schwingt dann die Überlegung mit, dass der Autokonzern auch seinen Formel-1-Rennstall flottgekriegt hat. Dass ein nicht die Identität fördernder und deshalb auch kritisch zu sehender Einstieg von Daimler die letzte Hoffnung zu sein scheint, zeigt, wie schlecht es um den VfB steht.