Die Diskussion um die Corona-Demo auf dem alten Golfplatz zeigt, wie schwierig das Abwägen in einer Demokratie sein kann. Aber auch, wie wichtig Debatten sind.

Leonberg - Tausende Menschen auf dem alten Golfplatz – bei vielen Leonbergern ruft das Erinnerungen an vergangene Mainächte wach. Nach 2002 war Schluss mit den Partys junger Leute am Vorabend des ersten Mai, nachdem rund 5000 Jugendliche einen Schaden in fünfstelliger Höhe hinterlassen hatten. Seitdem ist der alte Golfplatz vor allem als Naherholungsziel ein Begriff. Höchstens das umstrittene S21-Kunstwerk sorgte noch für Diskussionen.

 

Lesen Sie hier: Alle Infos zur Corona-Pandemie

Doch wo einst Feierei verboten wurde, sollen nun bis zu 7500 Gegner der Corona-Maßnahmen demonstrieren? Viele Leonberger können da nur mit dem Kopf schütteln. Selten erreichen unsere Redaktion so viele Reaktionen von Lesern. Eine Demo auf dem Dreieck Leonberg unter Vollsperrung beider Autobahnen, wie sie ursprünglich angemeldet war – dass das nur ein PR-Gag für maximale mediale Aufmerksamkeit sein kann, war für viele klar. Und es hat ja auch so funktioniert.

Was sind die Alternativen zum Standort?

Dass als Alternative nun der Golfplatz herhalten muss, ist auf der einen Seite nur schwer nachvollziehbar. Nicht nur ist das Gelände ein beliebtes Naherholungsgebiet mit großem Spielplatz. Die benachbarte Gerlinger Heide ist Naturschutzgebiet, die Leonberger Heide Landschaftsschutzgebiet. Beide sind, wie der Name eben sagt, besonders schutzbedürftig. Tausende Demonstranten sind da alles andere als zuträglich. Auf der anderen Seite macht der Alternativplatz aber auch Sinn. Es ist eine riesige Freifläche in städtischem Besitz, auf der sich 7500 Menschen sehr gut verteilen können, ohne sich zu nahe zu kommen. In ähnlicher Größenordnung hat die Stadt sonst nichts zur Verfügung.

Gerichte legen enge Grenzen fest

Man könnte sich jetzt in juristischen Feinheiten verlieren, was die Stadt tun muss und was sie nicht darf. Hier gibt es enge Grenzen, in vielen anderen Fällen bestimmt durch Entscheidungen deutscher Gerichte. Mit dem Landratsamt Böblingen war auch die zuständige Naturschutzbehörde in die Entscheidungsfindung für den Alternativstandort eingebunden. Es muss einem nicht gefallen, für oder gegen was am Sonntag auf dem alten Golfplatz demonstriert wird. Aber es muss ermöglicht werden, solange sich die Demonstranten auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bewegen. Das ist Demokratie.

Auch wenn es jetzt stark kritisiert wird: Die Stadt Leonberg hat gut daran getan, die Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen nicht von vornherein abzulehnen. Versammlungs- und Meinungsfreiheit (Artikel 8 und 5) sind zwei der höchsten Güter unseres Landes und entsprechend weit vorn im Grundgesetz verankert. Gerade in einer Stadt, in der sich nicht mal einen Kilometer vom Versammlungsort entfernt während des Zweiten Weltkriegs ein Konzentrationslager befand, ist dies noch bedeutsamer.

Güter gegeneinander abwägen

Gleichwohl gilt es, diese Freiheiten angesichts der Corona-Pandemie gegen andere wichtige Güter im Grundgesetz abzuwägen: Die Würde des Menschen, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Artikel 1 und 2), die zu Recht vorher aufgeführt sind. Auch wenn die Kosten dafür kritisiert werden: Die Demos in Stuttgart haben gezeigt, dass die Teilnehmer die Maskenpflicht, gerade im öffentlichen Nahverkehr, gern ignorieren. Sie jetzt in extra Pendelbussen auf den Engelberg zu fahren, dient auch dem Schutz der Leonberger Einwohner. Umso wichtiger ist, dass Polizei und Ordnungsbehörde auch kontrollieren, dass bei der Demo alle Auflagen und Corona-Regeln eingehalten werden.