Nicht nur der Fall Weissach zeigt, wie komplex die Ratsarbeit inzwischen ist.

Leonberg/Weissach - Die Sommergespräche unserer Zeitung sind eine gute Gelegenheit, um zu erahnen, dass Kommunalpolitik eine komplexe Angelegenheit ist. Hier geht es um Entscheidungen, die oft gravierende Auswirkungen haben, es werden Millionenbeträge bewegt oder Beschlüsse gefasst, die unpopulär, aber dennoch nötig sind. Das Klischee einer Biertisch-Politik ist längst überholt.

 

Nicht nur die ehrenamtlichen Lokalpolitiker sind stärker gefordert. Auch die Bürgermeister und die Belegschaften in den Rathäusern sehen sich anderen Anforderungen ausgesetzt. Da zudem der kommunale Betrieb von den Aufgeregtheiten der digitalen Medienwelt erfasst ist, steigt unter Gemeinderäten der Profilierungsdruck. Die Zahl der offiziellen Anfragen an die Verwaltungen, in denen der Stadtrat X oder die Gemeinderätin Y etwa wissen wollen, warum der Radweg immer noch schlecht ist oder wann eine Haltestelle ausgebessert wird, nehmen zu.

Klagen über schlechtes Arbeitsklima

Das Beantworten von Fragen schafft Transparenz, macht aber auch viel Arbeit. Nicht immer stehen Aufwand und Nutzen in einem gesunden Verhältnis. Zumal das Personal ohnehin oft unter Druck steht, weil gerade die großen Projekte nicht warten können. Klagen über überlastete Mitarbeiter und kein gutes Arbeitsklima sind aus vielen Rathäusern zu hören.

Wohin das führen kann, zeigt sich in Weissach. In der dortigen Verwaltung lief es jahrelang nicht rund. Es wurden keine Jahresabschlüsse gemacht. Die damalige Chefin stufte das als nicht so wichtig ein, der Gemeinderat hielt sich bedeckt. Jetzt soll Ursula Kreutel 223 000 Euro bezahlen – jene Summe, die ihr Nachfolger Daniel Töpfer (CDU) aufgewandt hat, um die Abschlüsse von einer gut dotierten Honorarkraft nachträglich erstellen zu lassen.

Kreutel legt Finanzen offen

Dem gesunden Menschenverstand könnte es widersinnig erscheinen, dass solche Summen, die sich im Bereich von vier Jahresgehältern bewegen, überhaupt in einer öffentlichen Verwaltung fließen. Die Richter, die Töpfer und der Weissacher Gemeinderat bemüht haben, um die einstige Bürgermeisterin und ihren früheren Kämmerer in Regress zu nehmen, sahen es anders. Beide sollen gemeinsam zahlen.

Während aber der Kämmerer quasi abgetaucht ist, versucht Kreutel, zumindest einen Teil erlassen zu bekommen. Dafür hat sie jetzt sogar ihre wirtschaftlichen Verhältnisse offengelegt – eine Voraussetzung, damit der Gemeinderat überhaupt darüber befinden kann.

Greensill-Pleite: 16 Millionen wahrscheinlich weg

Man mag der früheren Bürgermeisterin einen Großteil der Verantwortung zuweisen. Doch wie eingangs dargestellt, ist das kommunale Zusammenspiel äußerst diffizil. Die alleinige Schuld im moralischen Sinne trägt Ursula Kreutel sicherlich nicht. Daher täte der Weissacher Gemeinderat gut daran, wenn er seine frühere Vorsitzende vor einer drohenden Privatinsolvenz bewahrt.

Wie schnell man in eine solch missliche Lage geraten kann, musste auch ihr Nachfolger im Zuge der Greensill-Pleite erfahren. Und da geht es um 16 Millionen Euro, die für Weissach wahrscheinlich weg sind.