Angela Merkel geht in ihre dritte Amtszeit als Bundeskanzlerin. Sie hat ihre Partei zu einem Kanzlerwahlverein gemacht. Wird sie nun in der Nachfolge von Helmut Kohl zur ewigen Kanzlerin?, fragt der StZ-Politikchef Rainer Pörtner.

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)

Stuttgart - Bisher trägt Helmut Kohl, der sechzehn Jahre lang die Bundesregierung führte, den Ehrentitel des „Ewigen Kanzlers“. Er übertraf sogar den Gründungskanzler der Bundesrepublik, Konrad Adenauer. Der leitete vierzehn Jahre lang die Regierungsgeschäfte. Ist Angela Merkel nun auf dem besten Wege, zur „Ewigen Kanzlerin“ zu werden?

 

Mit ihrer dritten Wahl hat sich Merkel mindestens unter dem Gesichtspunkt des Machterhalts näher an ihre historischen Vorbilder aus den Reihen der CDU herangeschoben. Sie kann für sich auch in Anspruch nehmen, ihre Partei wie die Altvorderen ganz auf ihre Person zugeschnitten zu haben. Die CDU ist heute sogar noch mehr „Kanzlerwahlverein“ als früher. Oder wo ist ein Ludwig Erhard, der „Vater der sozialen Marktwirtschaft“, der neben Adenauer das Bild der Partei prägte? Wo ist ein Heiner Geißler, der Kohl als Generalsekretär diente und die modernste europäische Parteiorganisation jener Zeit formte, sich dann aber zutraute, gegen seinen Chef einen Putsch zu organisieren. Dieser scheiterte zwar 1989 – aber er war doch ein Hinweis, dass jenseits des Kanzlers in der CDU noch andere Kraftzentren wirkten. Wo sind diese heute in der Union zu spüren?

Merkels Popularität ist ungebrochen

Helmut Kohl war zum Zeitpunkt des Putschversuchs – im siebten Jahr seiner Kanzlerschaft – politisch fast am Boden. Das Volk war seiner mehrheitlich überdrüssig. Er rettete seine Führungsposition durch brachiale Gegenwehr gegen die innerparteilichen Frondeure. Letztlich gerettet aber hat ihn die Revolution in der DDR und die Chance, Deutschland wieder zu vereinigen. Ohne diese historische Ausnahmesituation wäre er nie zum „Ewigen Kanzler“ geworden. Vergleichbare politische Abnutzungserscheinungen sind bei Angela Merkel zu Beginn ihres neunten Amtsjahres nicht zu erkennen. Ihre Popularität, die weit über die Unionsgrenzen hinausreicht, ist ungebrochen.

Ihre Aussichten erscheinen auch deshalb günstig, weil sie im Unterschied zu Adenauer und Kohl nach allen Seiten koalitionsfähig ist. Sie hat erst mit der SPD regiert, ist dann zur klassischen Kombination mit der FDP übergegangen und führt nun wieder eine große Koalition an. Aber niemand wäre über die Maßen erstaunt, wenn sie sich schon diesmal für ein Bündnis mit den Grünen entschieden hätte – oder dies nach der nächsten Wahl tut.

Merkel meidet jede Polarisierung

Diese Anschlussfähigkeit nach allen Seiten hat Merkel erlangt, weil ihr Dogmatismus, ja selbst inhaltlicher Gestaltungswille inzwischen völlig fremd zu sein scheinen. Die Zeit, da sie sich den Deutschen als Reformerin des Sozialstaats und Erneuerin des Steuersystems offerierte, blieb eine kurze Episode vor der Bundestagswahl 2005. Aus der Beinahe-Schlappe am damaligen Wahltag hat sie ihre Lehren gezogen, seitdem zeigt sie sich als Situationspolitikerin: Sie meidet jede inhaltliche Polarisierung, reagiert auf die äußeren Umstände, moderiert mehr als dass sie führt. Dem Land hat dies erstmal nicht schlecht getan, Deutschland ist nahezu unbeschadet durch die Finanz- und Eurokrise gekommen, im Vergleich zu seinen Nachbarn steht es bestens da. Soweit wäre also alles gut – nagte da nicht zunehmend der Zweifel, dass sich die Jetzt-Bezogenheit, der Mangel an Umbauwillen, diese Modernisierungsunlust in einigen Jahren bitter rächen werden.

„Eine große Koalition ist eine Koalition für große Aufgaben“, hat Merkel zur Unterzeichnung des entsprechenden Vertrages gesagt. Man muss lächeln, wenn diese Worte ausgerechnet aus ihrem Mund kommen – ist dieser Vertrag doch ein Dokument des Kleinmuts. Aber Merkel ist ohnehin keine Frau der großen Worte und sie glaubt nicht, dass sich die Zukunft auf vier Jahre im Voraus schriftlich fixieren lässt. Papier? Das ist geduldig. In dieser Einschätzung darf sie sich ganz und gar einig wissen mit Konrad Adenauer und Helmut Kohl.