US-Präsident Barack Obamas Drohung mit einem Militärschlag hat zunächst einmal gewirkt. Doch ein zweite Mal wird dies nicht gelingen – und so stellt Damir Fras, der USA-Korrespondent der StZ, die Frage nach Obamas Strategie.

Washington - Der Druck hat gewirkt. Zweifelsohne war es die Drohung von US-Präsident Barack Obama, Marschflugkörper auf Syrien abzufeuern, die Bewegung gebracht hat. Nach zwei Jahren beispielloser Blockade ist Russland plötzlich auf die Idee gekommen, seinen Verbündeten Syrien zur Herausgabe der Chemiewaffen zu bewegen. Ohne Obamas Drohgebärde wäre das nicht geschehen. Russland hätte weiter Nein zu allen Bemühungen der internationalen Gemeinschaft gesagt.

 

Ohne Obamas Drohgebärde hätte sich auch das syrische Regime nicht bewegt und zumindest erkennen lassen, dass es sein Giftgasarsenal auflösen will. Wer glaubt, das sei aus der Einsicht geschehen, das Richtige zu tun, der glaubt auch Assads Darstellung, dass es sich bei dem Bürgerkrieg mit mehr als 100 000 Toten um einen reinen Abwehrkampf der syrischen Regierung gegen Terroristen handelt.

Obamas Taktik könnte die UN-Bemühungen gefährden

Die Drohung war ein Mal erfolgreich. Ob das ein zweites Mal gelingt, ist mehr als fraglich. Obama hätte in seiner Rede an die Nation deshalb besser darauf verzichtet, einerseits der Diplomatie eine Chance zu geben, andererseits aber an dem Plan eines Militärschlags festzuhalten. Damit ist nichts gewonnen, möglicherweise aber viel verloren. Diese Taktik könnte die gerade begonnenen Verhandlungen auf UN-Ebene gefährden. Vor allem Russland wird sich fragen, warum es zu Zugeständnissen bereit sein soll, wenn es die Amerikaner nicht auch sind. Der Streit darüber hat in New York schon begonnen. Wie er ausgeht, ist unklar. Wahrscheinlich aber nicht gut. Das lehrt der bisherige Umgang mit Syrien auf internationaler Ebene.

Obama hat recht mit seiner Aussage, wonach Amerika nicht die Weltpolizei ist, die alle Probleme lösen kann. Der Applaus des gesamten politischen Spektrums ist ihm dafür sicher. Das klingt so angenehm anders als die Aussagen seines Vorgängers George W. Bush, der glaubte, der Krieg sei ein probates Mittel zur Demokratisierung von Staaten. So etwas würde Obama nie sagen. Daran glaubt er nicht. Doch Obama hat auch gesagt, es sei die historische Aufgabe der USA, eine Verletzung internationaler Normen zu bestrafen. Wenn es nur geringen Aufwandes bedürfe und das Risiko klein sei, dann sollte Amerika handeln, um Kinder vom Tod durch Giftgas zu bewahren. Das ist ein moralischer Standpunkt, den mitfühlende Menschen nur teilen können. Wäre sicher, dass ein US-Militärschlag eine Wiederholung des entsetzlichen Chemiewaffen-Einsatzes vom 21. August verhindern könnte, er müsste sofort stattfinden. Doch ein paar Marschflugkörper werden so etwas nicht verhindern.

Warum sollen sich die USA einmischen?

Politik ist mehr als Moral. Politik ist auch Strategie und nüchternes Kalkül. Obama hat in seiner Rede nicht erkennen lassen, dass er über eine Strategie verfügt, die geeignet ist, den Bürgerkrieg in Syrien zu beenden. Er hat nicht gesagt, was nach einem Militärschlag in Syrien geschehen soll, denn eines ist sicher: der Bürgerkrieg ginge weiter, und das Morden ginge weiter – auch wenn Assads Regime nicht mehr in der Lage sein sollte, Giftgas einzusetzen. Nur: Obama könnte von sich sagen, dass er Wort gehalten hat und glaubwürdig geblieben ist. Das ist aber viel zu wenig. Wut und Verzweiflung sind angesichts der Bilder von den Opfern des Giftgaseinsatzes verständlich. Sie dürfen aber nicht zum Maßstab für militärisches Handeln werden, wenn militärisches Handeln nichts am Grundproblem ändern kann.

Das ist auch der Grund, warum Obama bisher weder die US-Öffentlichkeit noch die Abgeordneten des US-Kongresses von der Sinnhaftigkeit seines Plans überzeugt hat. Er konnte schlichtweg die Frage nicht beantworten, die die kriegsmüden Amerikaner umtreibt: Warum sollen sich die USA einmischen? Für Obama mag die moralische Begründung ausreichen. Für die US-Bevölkerung tut sie das nicht.