Die EuGH-Richter machen nach ihrem Urteil bezüglich des Daimler-Führungswechsels künftig den Aufsichtsräten das Leben schwer, meint StZ-Wirtschaftschef Michael Heller.

Stuttgart - Das Urteil ist eine Zäsur. Wohl noch nie hat ein Gericht in so gravierender Weise Einfluss darauf genommen, wie ein Unternehmen der Öffentlichkeit Neuigkeiten mitteilt. Und klar ist nun: so wie Daimler im Sommer 2005 seinen Führungswechsel kommuniziert hat, geht es nicht. Zur Erinnerung: der Konzern mochte den Vorgang damals nicht scheibchenweise präsentieren, sondern als Paket – Jürgen Schrempps Abgang und Dieter Zetsches Ernennung. Aus EuGH-Sicht hätte die Öffentlichkeit schon im Mai 2005 erfahren sollen, dass Schrempp abtreten will – unabhängig von der Nachfolgelösung.

 

Das hätte dem Unternehmen in den folgenden Wochen gewiss zahlreiche Schlagzeilen über einen Machtkampf zwischen Zetsche und dem ebenfalls aussichtsreichen Eckhard Cordes beschert. Ob Kapitalanleger aus mehreren Teilinformationen aber eher Schlüsse hätten ziehen können als aus der Gesamtinformation, sei dahingestellt. Aber darum wird es künftig nicht mehr gehen, der EuGH hat die neue Richtung vorgegeben. Es ist ein Schritt, der dem Gebot der Transparenz höchste Priorität einräumt. Völlige Klarheit wird damit aber nicht geschaffen. Gewiss, der Fall Schrempp lässt sich nun rückblickend besser einordnen. Aber was in künftigen Fällen veröffentlicht werden muss, bleibt nebulös, weil darauf abgestellt wird, dass irgendein Ereignis wahrscheinlich eintritt. Eine gute Nachricht ist das für die Hausjuristen: Sie werden gewiss nicht arbeitslos.

Für die Kontrollgremien eines Unternehmen hat das EuGH-Urteil erhebliche Konsequenzen. So werden die Aufsichtsräte fast entmachtet. Wie sollen sie noch unabhängig Entscheidungen absegnen oder blockieren, wenn die entsprechenden Fakten längst an der Börse bekanntgemacht worden sind? Wer sich als Aufsichtsrat einer Vorstandsentscheidung in den Weg stellt, wird auch das Risiko sehen, dass die Börse mit einem Kurseinbruch reagiert. Die geräuschloseste Variante besteht sicher darin, alles einfach abzunicken. Aber das ist gewiss nicht im Interesse einer funktionierenden Kontrolle im Unternehmen.