Die Gespräche zwischen der CDU und den Grünen verliefen harmonisch. Dennoch wird es keine schwarz-grüne Koalition im Bund geben. Die Grünen haben damit eine große Chance verpasst, meint der Berliner Büroleiter der StZ, Armin Käfer.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Claudia Roth klingt begeistert, obwohl Ernüchterung angezeigt wäre. Wer ihr zuhört, könnte der Legende verfallen, in der Nacht zum Mittwoch hätte sich ein historisch bedeutsames Ereignis vollzogen. Roth und ihre Grünen führen sich auf, als sei es schon eine zivilisatorische Errungenschaft, wenn sie sieben Stunden mit Herrschaften wie dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer und dessen Generalsekretär Alexander Dobrindt in einem Saal verbringen, ohne dass Beleidigungsklagen zu protokollieren wären.

 

Dabei ist nichts von Belang passiert. Die Grünen bleiben, was sie seit ihrer Wahlschlappe sind: die unbedeutendste Partei im Deutschen Bundestag. Und Schwarz-Grün bleibt, wie es Angela Merkel vor geraumer Zeit schon formuliert hat: ein Hirngespinst. Daran wird die Republik nicht zu Grunde gehen. Aber den Grünen könnte es durchaus schaden. Sie haben vor ihrer eigenen Schwäche kapituliert.

Den Beteiligten mag der lange Abend in der Parlamentarischen Gesellschaft dennoch angenehm in Erinnerung bleiben. Er verschaffte ihnen einen unverhofften Erkenntnisgewinn, eröffnete eine neue, wenn auch vage Machtvision in unbestimmter Ferne. Und natürlich kann es der politischen Kultur in unserem Lande nur förderlich sein, wenn Demokraten jedweder Couleur den Gedankenaustausch pflegen, Gemeinsamkeiten entdecken und sich nicht wechselseitig wie Erzfeinde behandeln.

An Streitpotenzial ist wenig übrig geblieben

Roth & Co. haben in den 457 Minuten an Merkels Tafelrunde offenbar gelernt, dass die Kluft zwischen Schwarz und Grün an vielen Stellen nicht so groß ist, wie man sich das eingebildet hatte. In beinahe schwärmerischen Tönen wurde von einer Begegnung berichtet, die manchen wie ein Pfingsterlebnis vorgekommen sein muss: Es herrschte immenses Verständnis. Unüberwindliche Barrieren, hinter denen man sich verschanzen könnte, sind ohnehin längst abgeräumt: Die Union hat den Atomausstieg nach anfänglichem Zögern sogar noch beschleunigt. Sie hat die Grünen beim Ausbau der Ökoenergie in ihren kühnsten Träumen übertroffen. Und die Bundesrepublik ist, seit Merkel regiert, auch offiziell ein Einwanderungsland. Was noch an Streitpotenzial übrig bleibt – die Pkw-Maut, die Bürgerversicherung oder das Betreuungsgeld –, hat allenfalls die Sprengkraft von Knallfröschen.

Parteichef Cem Özdemir sagt, man habe auf dem Weg zurück an die Macht „keine Türen zugenagelt“. Das Problem der Grünen ist, dass sie nicht die Stärke hatten, die Tür zu einer gemeinsamen Regierung mit der Union zu öffnen. Am Ende haben sie kaum noch den Notausgang gefunden.

Regieren ist Mist – für die Grünen

Warum Schwarz-Grün scheitern musste, ist Menschen außerhalb des grünen Biotops kaum begreiflich zu machen. Diese Partei ist tief verunsichert. Niemand verfügt über die Autorität, die eigenen Leute von einer solchen Koalition zu überzeugen. Und das Spitzenpersonal erweckt tatsächlich nicht den Eindruck, als könne es für vier Jahre eine Stabilität garantieren, wie sie für ein Regierungsbündnis unabdingbar ist.

Regieren ist Mist aus dem Blickwinkel der Grünen. Aber das Schattendasein als kleinere von zwei kleinen Oppositionsparteien eröffnet auch keine erfreulichen Perspektiven. Wenn die Grünen ihren Linksdrall beibehalten, werden sie von der wahren Linkspartei nur ständig überholt. Die verfügt mit Gregor Gysi zudem noch über einen der talentiertesten Redner im Bundestag. Dem haben die Grünen wenig entgegenzusetzen. Sie haben es versäumt, die richtigen Schlüsse aus Erfolgen wie etwa in Baden-Württemberg zu ziehen. Solche Erfolge erreicht man nicht mit einer Politik der Selbstbezogenheit. Rot-Grün ist zumindest im Bund auf absehbare Zeit nicht mehrheitsfähig. Ob sich die Möglichkeit von Schwarz-Grün noch einmal bietet, ist eher unwahrscheinlich. Die Grünen haben eine historische Chance verpasst.