Anlässlich der Einweihung des neuen EZB-Gebäudes ist es am Mittwoch zu schweren Krawallen in Frankfurt gekommen. Die Misere der Krisenstaaten geht aber nicht auf das Konto der EZB, meint StZ-Autorin Barbara Schäder.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Frankfurt - EZB-Präsident Mario Draghi gilt vielen Deutschen als Handlanger der hochverschuldeten Krisenstaaten. Da entbehrt es nicht einer bitteren Ironie, dass dieselbe Europäische Zentralbank nun von Tausenden Demonstranten als sparwütige Zuchtmeisterin angeprangert wurde. Der Protestaufruf des kapitalismuskritischen Blockupy-Bündnisses richtete sich in diesem Jahr nämlich gegen die Sparprogramme, die Griechenland und anderen Schuldensündern als Bedingung für die milliardenschwere Unterstützung der Europartner auferlegt wurden. Weil die EZB gemeinsam mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der EU-Kommission die Einhaltung dieser Auflagen überwacht, erhoben die Organisatoren der Demonstrationen sie zu einem Symbol für Sozialabbau und Massenentlassungen.

 

Dass Randalierer die Demonstration zum Anlass für Gewalt und Zerstörung nahmen, ist traurig – hat mit der Sache aber im Grunde nichts zu tun. Die Ereignisse in Frankfurt reihen sich vielmehr ein in eine Serie von Ausschreitungen, die seit Jahren die Kundgebungen von überwiegend friedlichen Kapitalismus- und Globalisierungskritikern überschatten. Ganz offenkundig existiert in Europa ein beachtliches Potenzial für Krawalltourismus. Für den G-7-Gipfel, der im Juni im bayerischen Schloss Elmau stattfindet, lässt das nichts Gutes hoffen. Immerhin hat die Polizei in Frankfurt besonnen reagiert und anders als vor zwei Jahren, als sie rund 1000 Demonstranten stundenlang in einem Polizeikessel festhielt, zur Deeskalation beigetragen.

Die EZB reagierte bei der Einweihung äußerst ungeschickt

So kam nach den Krawallen am Mittwochnachmittag doch noch eine bunte, friedliche Kundgebung zustande. Sie machte deutlich: die Anliegen der Blockupy-Bewegung finden breiten Widerhall. Vor dem Rathaus in Frankfurt versammelten sich Demonstranten aus allen Generationen, Linke und Bürgerliche.

Zum Unmut über die EZB dürfte beigetragen haben, dass die Zentralbank bei der Einweihung ihres neuen Hauptquartiers äußerst ungeschickt agierte. Statt nach den jahrelangen Baumaßnahmen einen Tag der offenen Tür für alle Bürger oder wenigstens die Anwohner zu veranstalten, igelten sich Draghi und die Seinen ein: Außer den Angehörigen des EZB-Rats und Gesandten anderer Notenbanken wurden nur einige Landes- und Kommunalpolitiker geladen. Auch die Medien mussten mit Ausnahme einzelner Agentur- und Rundfunkjournalisten draußen bleiben. Bei einem solchen Verhalten gegenüber der Öffentlichkeit darf sich EZB-Präsident Draghi nicht wundern, wenn seine Forderung nach mehr demokratischer Legitimation europäischer Entscheidungsprozesse nicht ernst genommen wird.

Manche Vorwürfe gehen an der Realität vorbei

Dabei hat Draghi im Grundsatz recht. Der EZB-Präsident ging auf ein Problem ein, das auch viele Demonstranten beschäftigt: Derzeit treffen die Notenbanker in der Eurobank regelmäßig Entscheidungen, die aufgrund ihrer Tragweite eigentlich von gewählten Politikern gefällt werden müssten. Die Hauptverantwortung für den enormen Machtzuwachs der EZB liegt aber nicht bei ihr, sondern bei den Regierungen der Eurozone. An den gewählten Politikern ist es, die Stabilität der Währungsunion wiederherzustellen – durch weitere Reformen in den Schuldenstaaten, aber auch auf europäischer Ebene. Die Notenbank für die Zwangsräumung spanischer Hausbesitzer verantwortlich zu machen, wie es am Mittwoch ein Redner der spanischen Protestpartei Podemos tat, geht an der Realität vorbei.

Gewiss, die EZB hätte auf den politischen Reformstau anders reagieren können, als sie es getan hat. Viele ihrer Aktionen in der Eurokrise sind zu Recht umstritten. Hätte sie aber gar nichts unternommen, so gäbe es die Währungsunion heute nicht mehr. Und damit noch viel weniger Unterstützung für die Euro-Krisenländer.