Im Kampf gegen die Finanzkrise hält die Europäische Zentralbank die Zinsen niedrig. Das beruhigt die Märkte und die Krisenländer – doch nicht die Sparer, meint der StZ-Redakteur Klaus Dieter Oehler.

Frankfurt - Nun ist es also amtlich: Die Zinsen werden niedrig bleiben. Mit der ungewöhnlichen Ankündigung der Europäischen Zentralbank, dass sie auf längere Zeit nicht mit höheren Leitzinsen rechnet, hat der Präsident der Notenbank, Mario Draghi, vor allem zwei Dinge erreicht. Zum einen sind die Akteure an den Finanzmärkten beruhigt worden, denn sie wissen nun, dass die Zentralbank alles tun wird, um gegen jede Form der Spekulation gegen den Euro und die Eurostaaten anzukämpfen. Zum anderen haben die Regierungen in den Krisenländern Europas die Zusicherung bekommen, dass die Notenbank sie so lange mit ihrer lockeren Geldpolitik unterstützen wird, bis sie die notwendigen Strukturreformen umgesetzt haben. Wie lange das dauern wird, ist offen, es werden wohl eher Jahre als Monate werden. So weit, so gut. Man kann in Expertenkreisen lange darüber diskutieren, ob die Risiken, die durch die anhaltend lockere Geldpolitik entstanden sind, größer sind als die Vorteile, die die erzielte Stabilisierung der Finanzmärkte bringt.

 

Investoren, professionelle Anleger, Versicherungen und auch den ganz normalen Sparer werden diese Diskussionen aber nur am Rande interessieren. Für sie ist wichtig, dass ein Zusammenbruch des Finanzsystems verhindert wird, dass die wirtschaftliche Entwicklung in Europa sich wieder verbessert und dass sie ihr Geld zumindest sichern, am besten aber vermehren können.

Selbst der Garantiezins erfordert Risikobereitschaft

Spätestens seit der Finanzkrise sollte jedem klar sein, dass eine höhere Rendite immer auch mit einem höheren Risiko verbunden ist. Wie aber kann man verhindern, dass selbst eine niedrige Preissteigerungsrate unter zwei Prozent das Kapital aufzehrt, wenn man für „sichere“ Anlagen derzeit gerade einmal 0,5 oder höchstens ein Prozent Zinsen bekommt?

Diese Frage treibt jeden Sparer um, vor allem aber die professionellen Institutionen, die mit ihren Produkten dafür sorgen sollen, dass das Geld der Sparer ihnen nach einer jahrelangen Ansparphase auch ein auskömmliches Einkommen im Alter garantiert. Selbst der Garantiezins von 1,75 Prozent, den Versicherer versprechen, ist ohne Risiko heute kaum noch zu erwirtschaften. Ganz abgesehen davon, dass auch dieser Zinssatz bei einer steigenden Inflationsrate für die meisten Sparer am Ende einen Substanzverlust bedeutet.

Es bleibt also nichts anderes übrig, als zumindest ein wenig Risiko zu wagen, um in dem anhaltenden Niedrigzinsumfeld mehr zu verdienen. Für Sparer bedeutet dies, dass sie zumindest einen Teil ihres Geldes in Anlagen investieren sollten, die eine höhere Rendite möglich machen, etwa in Aktien. Dabei darf der Anteil nicht so groß sein, dass das gesamte Vermögen gefährdet wird, denn auch die Börse ist keine Einbahnstraße. Viele Anleger flüchten auch in Immobilien, wobei sie oft vergessen, dass jeder Immobilienkauf mit hohen Nebenkosten verbunden ist und die Preise derzeit eher am oberen Ende sind – die Rendite könnte am Ende mager ausfallen.

Anlageprodukte werden wieder einfacher

Dennoch raten viele Experten dazu, die Zeit zu nutzen, um Bauvorhaben umzusetzen. Das ist auch richtig, denn wer selbst in dem Häuschen wohnen will, kann nicht viel falsch machen. Die großen Versicherer und Pensionsfonds setzen ebenfalls auf mehr Risiko und haben ihre Investitionen etwa in Projekte der erneuerbaren Energien oder den Ausbau der Infrastruktur deutlich ausgeweitet. Auch das ist nicht risikolos, wie der Niedergang der einst als Zukunftsbranche gelobten Solarindustrie zeigt. Aber es gibt kaum Alternativen.

Am Ende könnte die Zeit der niedrigen Zinsen auch einen positiven Effekt haben. Viele Institute haben bereits damit begonnen, ihre Anlageprodukte wieder einfacher und verständlicher zu machen. Das ist gut so, denn auch bei höheren Zinsen sollte immer klar erkennbar sein, welches Risiko man eingeht.