Formel-1-Boss Bernie Ecclestone bezahlt 100 Millionen Dollar, dafür wird das Verfahren gegen ihn wegen Bestechung eingestellt. Das Gericht in München hat es sich mit dem Freikauf zu einfach gemacht, kritisiert der StZ-Redakteur Stefan Geiger.

Stuttgart - Bernard Ecclestone ist 83 Jahre alt und ein sehr reicher Mann. Er hat bisher alles, was er wollte, auf seine Art erledigt und bekommen. Von Demokratie hat er nicht viel gehalten. Die habe „vielen Ländern nichts Gutes gebracht“, sagte er der „Times“ 2009. Dass er in diesem Zusammenhang Adolf Hitlers Tatkraft gelobt hat, dafür hat er sich später entschuldigt. Ecclestone gilt in der Welt der Formel 1 als unverzichtbar. Er hat dort viel erreicht und viele reich gemacht. Das gelang, weil er so ist, wie er ist. Jetzt hat er auch den Strafprozess, der gegen ihn wegen mutmaßlicher Schmiergeldzahlungen geführt worden ist, auf seine Art zu einem Ende gebracht.

 

Ecclestone zahlt 100 Millionen Dollar. Für diese 100 Millionen gilt er offiziell weiterhin als unschuldig. Das Verfahren gegen ihn wird eingestellt. 100 Millionen Dollar sind für andere viel Geld. Für ihn ist das nicht mehr als eine Zahl in seiner Vermögensbilanz. Er kann das Geld binnen Wochenfrist beschaffen. Kein Problem, sagte er dem Richter. Aber auch und gerade ein Ecclestone zahlt 100 Millionen Dollar nicht ohne Not – nicht wenn er ernsthaft daran glauben würde, einen richtigen Freispruch erkämpfen zu können. Sich freikaufen kann man das nennen, was Ecclestone tut.

Der Mann hat gute Anwälte

Unstrittig ist, dass Ecclestone 2006 im Zusammenhang mit dem Verkauf von Formel-1-Anteilen 44 Millionen Dollar an das damalige Vorstandsmitglied der BayernLB Gerhard Gribkowsky gezahlt hat. Unstrittig ist, dass es dafür keinen seriösen Grund gegeben hat. Die Anklage warf Ecclestone vor, er habe bestochen, um die Macht bei der Formel 1 zu behalten. Ecclestone sagt, er sei von dem bereits wegen Bestechlichkeit verurteilten Gribkowsky erpresst worden. Ein Ecclestone, der sich erpressen lässt, dass wäre normalerweise für ihn eine rufschädigende Behauptung. Aber so klar, wie die Ankläger gehofft hatten, war die Sache auch wieder nicht. Die Vorwürfe bröckelten. Der Mann hat gute Anwälte.

Man kann fragen, wozu die Strafjustiz gut ist. Es gibt ganz unterschiedliche Meinungen dazu. Aber zumindest in einem Punkt stimmen alle überein: Um in einem förmlichen Verfahren die Schuld oder die Unschuld eines Menschen festzustellen. Bei einem 83 Jahre alten Reichen, dem ein Eigentumsdelikt vorgeworfen wird, ist dies der einzige verbleibende Grund, um einen Prozess gegen ihn zu führen. Es konnte nur darum gehen, einem Menschen, der über die Jahrzehnte gelernt hatte, dass es immer so läuft, wie er es will und wie er es macht, einmal zu sagen: Du bist zu weit gegangen. Was du gemacht hast ist kriminell. Oder aber ihm zu bescheinigen, dass ihm eine Straftat nicht nachzuweisen ist.

Das Gericht hat es sich zu leicht gemacht

Das hätte genügt. Das hätte im Fall der Verurteilung gerade einen Ecclestone geschmerzt. Jede weitere Strafe – gar eine nie ernsthaft drohende Haft – wäre bei diesem Greis wenig zielführend gewesen. Das Gericht ist diesen Weg nicht zu Ende gegangen. Es hat es sich leicht gemacht, zu leicht. Jetzt triumphiert Ecclestone wieder einmal. Er kann weitermachen wie bisher, auch bei der Formel 1.

Der Paragraf, nach dem er sich freikaufen konnte, ist nicht für Reiche gemacht. Er wird häufig genutzt, zu Recht immer dann, wenn es um Bagatellen geht, um eine „geringe Schuld“. Und leider allzu oft auch dann, wenn ein kompliziertes Strafverfahren der Justiz zu viel Arbeit macht. Selbst das, was Ecclestone jetzt vom Gericht immer noch vorgeworfen wird, ist keine Bagatelle. 100 Millionen Euro können kein Ausgleich für eine Bagatelle sein. Die 100 Millionen sind auch Ausdruck eines schlechten Gewissens des Gerichts. Hätte Ecclestone nämlich am Ende freigesprochen werden müssen, wäre dies zugleich der Beleg dafür gewesen, dass das Urteil gegen Gribkowsky in einem entscheidenden Punkt ein Fehlurteil war. Das wäre peinlich. Das Ende des Münchner Prozesses nützt zwei der Beteiligten, dem Rechtsstaat aber nicht.