In ihrer Außenpolitik hat die Europäische Union bisher keine spektakulären Erfolge erzielt. Doch ihre Nahost-Politik ist wirkungsvoll, analysiert der StZ-Redakteur Knut Krohn. Allerdings bleiben spezifische EU-Probleme.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Stuttgart - Lange hat es gedauert, doch Europa hat sich durchgerungen. Die Hisbollah-Miliz steht jetzt auf der Terrorliste der EU. Das ist ein starkes Zeichen. Diese Geschichte zeigt, dass die Union – allen Unkenrufen zum Trotz – mit einer Stimme sprechen kann. Deutlich wird aber auch, wie schwer sich die Gemeinschaft mit einer gemeinsamen Außenpolitik tut. Seit Jahren drängen die USA und Israel die Europäer dazu, die Organisation zu ächten. Doch der vielstimmige Brüsseler Chor ließ keine Entscheidung zu. Allerdings scheint in Europa inzwischen die richtige Erkenntnis gereift zu sein, im Durcheinander der nahöstlichen Diplomatie nur dann etwas erreichen zu können, wenn vielen mahnenden Worten am Ende auch Taten folgen.

 

So hat die EU-Kommission vor einigen Tagen zum großen Entsetzen Israels eine Richtlinie veröffentlicht, die regelt, dass EU-Fördergeld nicht für Projekte in jüdischen Siedlungen jenseits der Grenzen von 1967 ausgegeben werden darf. Die Botschaft aus Brüssel wurde im Nahen Osten offensichtlich verstanden. Dass endlich wieder über Frieden zwischen Israelis und Palästinensern geredet wird, ist sicherlich auch ein Verdienst des neuen, markigen Auftretens der Europäischen Union.

Eine integrative Außenpolitik ist nahezu unmöglich

Doch kann dieser Erfolg nicht die grundsätzlichen Schwierigkeiten der gemeinsamen europäischen Außenpolitik kaschieren. Die Schuldige für die Misere scheint schnell gefunden: Catherine Ashton, die EU-Außenbeauftragte mit wenig Gespür für Diplomatie und Strategie. Doch die Britin ist nur ein kleiner Teil des Problems. Allein der föderale und subsidiäre Aufbau der Union macht eine integrative Außenpolitik beinahe unmöglich. Brüssel handelt nicht einheitlich, sondern regelt seine Außenbeziehungen vor allem über ein weit gefächertes außenpolitisches Beziehungsgeflecht der einzelnen Staaten. Vor jedem Schritt steht ein zeitraubender Konsultations- und Abstimmungsmechanismus. In Krisenzeiten, in denen rasch reagiert werden muss, ist das kein effektives Instrumentarium. Europa wirkt in solchen Situationen wie gelähmt.

Außerdem krankt die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik auch an der Stärke einzelner Mitgliedsländer. Mit Großbritannien und Frankreich sitzen gleich zwei Staaten im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Dort könnten sie Europa mit mächtiger Stimme vertreten, doch kümmert sie die EU im Ernstfall herzlich wenig. Die Krisen in Libyen, Mali und Syrien haben gezeigt, dass die beiden Staaten nicht den Vorstellungen Brüssels nachkommen. Ihr Selbstbewusstsein als Atom- und Kolonialmächte entzieht sich dem EU-System, das selbst in Kriegsdingen auf Konsens ausgelegt ist.

Die EU kann nicht im Konzert der Großen mitspielen

So paradox es klingt, auch die wirtschaftliche Krise erschwert die Zusammenarbeit in Sachen europäischer Außenpolitik. Vor allem an Frankreich scheint die eigene wirtschaftliche Schwäche zu nagen, so dass die „Grande Nation“ versucht, diesen Makel mit angestrengtem außenpolitischem Engagement zu kompensieren. Und die Briten? Jenseits des Kanals diskutieren die Politiker im Moment über den Austritt aus der EU und nicht über mehr Zusammenarbeit. Gleichzeitig halten sich die Krisenländer Spanien, Italien oder Griechenland, die bisher den Dialog der Europäischen Union mit den Nachbarn jenseits des Mittelmeeres vorangetrieben haben, auffallend zurück. Sie benötigen ihre Kraft, um sich selbst zu retten.

Ziel kann also nicht sein, dass Europa in Sachen Außenpolitik im Konzert der Großen mitspielen will. Brüssel muss sich auf das Machbare konzentrieren. Die EU gilt in der Welt – im Gegensatz zu den USA, Russland oder China – als neutraler und ehrlicher Vermittler. Diesen Vorteil gilt es zu nutzen. Auf diesem Weg können Erfolge erzielt werden, so wie jetzt auf dem diplomatischen Parkett im Nahen Osten.