Berlin darf dem Drängen nach gemeinsamen Anleihen nicht nachgeben. Ansonsten fiele der Mechanismus der Sanktionierung weg.

Stuttgart - Die Eurokrise bringt alles ins Wanken. Selbst das seit Langem bekannte Versprechen der deutschen Regierung, dass keine gemeinsamen Euroanleihen geplant sind, nimmt der schwarz-gelben Koalition kaum noch jemand ab. Das zeigt, wie unsicher in der europäischen Schuldenkrise viele Überzeugungen geworden sind. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat daran mit ihren häufigen Positionswechseln einigen Anteil. Weil die roten Linien zur Transferunion schon an mehreren Stellen überschritten worden sind, muss Merkel jetzt allergrößtes Interesse daran haben, dass nicht auch noch die letzten Bastionen fallen: Deutschland darf dem Drängen klammer Euroländer nicht nachgeben. Die Verantwortung für zu hohe Staatsdefizite kann nicht einfach in einer Art Blackbox verschwinden.

 

Aus diesem Grund verdient Merkel in ihrem Abwehrkampf gegen Eurobonds Unterstützung. Gemeinsame europäische Anleihen sind längst nicht die Wunderwaffe, für die sie Sozialdemokraten, Grüne sowie der italienische Finanzminister halten. Mit Eurobonds können vielleicht die Finanzmärkte beruhigt werden. Gemeinsame Wertpapiere der Eurozone bedeuten schließlich, dass finanzschwache Schuldner von der erstklassigen Bonität beispielsweise des deutschen Staates profitieren. Doch der Preis wäre hoch: Die Verantwortung der einzelnen Staaten für ihre Schulden würde bis zur Unkenntlichkeit verwischt. Die Zeche dafür müsste auch der deutsche Steuerzahler berappen.

Zinsen haben erzieherischen Effekt

In jedem Jahr muss der Bund Anleihen über 300 Milliarden Euro auf den Kapitalmärkten unterbringen. Stiegen die Zinsen auch nur um einige Zehntelpunkte, würde sich dies sofort im Bundeshaushalt zeigen. Schon jetzt ist Deutschland mit gut einem Viertel an den Rettungspaketen beteiligt. Die Befürworter von Eurobonds mögen den Verweis auf die Kosten für Erbsenzählerei halten. Ein Land, das in besonderer Weise vom europäischen Binnenmarkt profitiert, sollte sich bei der Eurorettung nicht kleinlich zeigen, sagen sie. Die Stabilisierung der Euroländer werde so oder so Geld verschlingen, argumentieren die Verfechter.

Dabei lassen Unterstützer der Eurobonds jedoch einen wichtigen Aspekt außer Acht: Die Zinsen, die Staaten an den Kapitalmärkten zahlen müssen, haben einen erzieherischen Effekt. Kapitalmärkte belohnen eine solide Finanzpolitik mit niedrigen Zinsen. Bei Zweifeln an der Haushaltssanierung werden Länder mit höheren Zinsen bestraft - das haben vor der jüngsten Intervention der Europäischen Zentralbank Länder wie Spanien und Italien zu spüren bekommen. Die Regierungen fürchten die Sanktionen der Märkte. Falls dieser Mechanismus wegfiele, könnten Defizitsünder darauf hoffen, dass sie die Reaktion der Märkte nicht mehr mit voller Wucht trifft. Damit wächst die Gefahr, dass die Ursachen der Probleme nicht angegangen werden.

Die vergangenen Tage zeigen, dass es auch anders geht. In kurzer Zeit hat Italien ein Sparprogramm auf den Weg gebracht, Frankreich plant ebenfalls neue Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung. Nur mit einer Rückbesinnung auf gesunde Haushalte lässt sich die Eurokrise meistern. Dass es für Regierungen und nationale Parlamente einfacher ist, sich mit europäischen Anleihen Spielraum zu verschaffen, steht außer Frage. Mit der nationalen Verantwortung für die Budgetpolitik lässt sich das aber nicht in Einklang bringen. Für die Regierung Merkel ist es nicht einfach, auf anerkannten Prinzipien zu beharren. Berlin steht mit der Ablehnung von Eurobonds auf einsamem Posten. Die Lage in der europäischen Schuldenkrise ähnelt ein bisschen den Verhandlungen über den Länderfinanzausgleich. Den wenigen Geberländern steht immer ein großer Kreis von Empfängerländern gegenüber. Dennoch sollte sich Deutschland dem Druck der Mehrheit gerade im Interesse Europas nicht beugen.