Die Party von Seehofer war ein Flop. Aber nicht nur die CSU tritt damit in eine neue Phase der Eigenwerbung ein, meint Mirko Weber.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

München - Machtinszenierungen haben in der deutschen Nachkriegsdemokratie eine Tradition, die nicht erst mit dem sogenannten Medienkanzler Gerhard Schröder beginnt. Dessen Sendungsbewusstsein war freilich eher eindimensional gesteuert: Boulevardblätter und Fernsehen im Allgemeinen reichten seiner Meinung nach völlig aus, um zu transportieren, was der Regierungsapparat wirklich veröffentlicht haben wollte. Schon Konrad Adenauer aber, gewiss kein Showmann im eigentlichen Sinne, wusste, wann er wo und mit welchem Hütchen auf dem Kopf sommers Boccia spielte, um auf das Publikum auch mal anders zu wirken.

 

Fortan gab es in puncto Selbstdarstellung immer wieder Naturtalente in hohen Ämtern. Willy Brandt, obwohl prinzipiell skrupulös und scheu, gehörte dazu. Oft schien ihn ein Hauch von attischer Tragödie zu umwehen, wenn er auftrat. Selbst Helmut Kohl, häufig als Elefant im eigenen Laden und im Land unterwegs, verfügte in manchen Momenten über zumindest leise aufblitzende charismatische Eigenschaften auf dem Fundament noch nicht völlig verschütteter Grundüberzeugungen.

Seit Schröder ist die politische Welt anders geworden

Spätestens seit Schröder jedoch ist die (innen-)politische Welt namentlich in der öffentlichen Wahrnehmung eine andere geworden. Es fällt in der heutigen Gesellschaft buchstäblich nichts mehr durchs Netz, was einmal bekannt geworden ist, und es wird immer mehr immer schneller bekannt. Schröder selbst hat das erfahren müssen, als ihm, während er sich unbeobachtet fühlte, der Satz „Hol mir mal ’ne Flasche Bier“ entfuhr. Kurz darauf war die Phrase als Lied ein Hit. Millionen Menschen wissen aber auch, was es bei Merkels abends an Wein gibt, wenn die Kanzlerin selbst einkauft. Da braucht nur einer im Supermarkt sein Handy zum Fotografieren zu zücken. Das ist persönlich unangenehm, gehorcht jedoch einer übergeordneten Entwicklung: Viel Weihrauch, der früher über Hinterzimmern hing oder dort hineingeheimnist wurde, ist verflogen. Jeder weiß: Politik ist – wie in manch anderen Berufen – auch öfter nur Ventilation von heißer Luft.

Folgerichtig arbeiten die Strategen in den Parteizentralen offensiv daran, dass ihre Protagonisten heutzutage gleichzeitig popkulturtauglich, aber auch immer noch leidlich professionell und seriös rüberkommen, wie es heißt. Optisch zum Beispiel wird das traditionelle Rot der SPD dann lila grundiert, was den sozialdemokratischen Wohlfühlfaktor erhöhen soll. Die CSU und ihr Chefpopulist Horst Seehofer haben sich nun zum ersten Mal als Gastgeber einer Großveranstaltung versucht, die einen Teil seiner „Freunde“ auf Facebook in einer Münchner Discothek hätte versammeln sollen. Gekommen ist noch nicht mal ein winziger Bruchteil dieses Teils.

Seehofer nimmt nur eine Pose ein

Freundlich gesagt hatte die (auch medial) riesig gehypte Party allenfalls selbstreferenziellen Charakter. Weiter verwunderlich war das aber nicht. Der heutige, sagen wir mal, User von Politik hat ein ziemlich genaues Empfinden dafür, wann ihm, altmodisch formuliert, etwas vorgegaukelt wird. Das war hier der Fall: Seehofer ist nach eigenen Aussagen „null Komma null“ an der Kommunikation über dieses Medium interessiert. Er möchte lediglich den Anschein erwecken, noch einigermaßen auf dem Laufenden zu sein. Mit anderen Worten: Seehofer nimmt, wie so häufig, eine Pose ein (darf’s ein bisschen mehr Horst sein?). Eine Position hat er nicht.

Man hätte exakt diese Haltung nicht für erledigt, aber doch für überlebt gehalten: mit einer Politik, die nur tut, als ob, lässt sich nicht viel gewinnen. Wenn andere Parteien gut beraten sind, folgen sie dieser so offensichtlichen wie peinlichen bayerischen Ranschmeißtaktik besser nicht: eine offene Gesellschaft braucht keine schlecht verkleideten Politiker und keine inszenierte Scheintransparenz.