Die Fußballfans erinnern in Dortmund den Sport an die Werte, für die er stehen sollte: Solidarität, Fairness und Völkerverständigung. Dies jedenfalls meint der StZ-Autor Peter Stolterfoht.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - Mag auch das Böse sich noch so vervielfachen, niemals wird es das Gute aufzehren können. Dieses etwa 750 Jahre alte Zitat des Philosophen Thomas von Aquin passt in die Gegenwart, in der Deutschland vermehrt von Aufsehen erregenden Anschlägen heimgesucht wird. Weil es Mut macht. Der ist gerade in Dortmund gefragt, wo ein hinterhältiger Bombenanschlag auf den Borussia-Mannschaftsbus einen Verein und seine fußballverrückte Stadt erschüttert hat. Stellvertretend stehen der Spieler Marc Bartra und ein Polizist, die beide verletzt worden sind.

 

Von der erwarteten Dortmunder Schockstarre ist rund um das Viertelfinalspiel der Champions League aber nichts zu spüren gewesen. Im Gegenteil: Im Stadion bekundeten die Fans des AS Monaco mit „Dortmund, Dortmund“-Rufen ihre Unterstützung, die BVB-Anhänger revanchierten sich auf ganz besondere Weise und boten den Gästen die aufgrund der Spielverlegung benötigten Übernachtungsmöglichkeiten an. Das geschah vor allem über die sozialen Medien, die so ihrem Namen auch einmal gerecht wurden.

Das Schlechte hat in Dortmund das Gute zu Tage gefördert

Das Verhalten der Fans hat den Sport daran erinnert, für welche Werte er stehen sollte: für Fairness, Solidarität und Völkerverständigung. Beeindruckender kann man dem Terror, von wem auch immer ausgeübt, kaum begegnen. Ist es doch Ziel dieser Gewalt, eine Atmosphäre der Angst, der Unsicherheit und des Misstrauens zu erzeugen. Stattdessen hat in Dortmund das Schlechte das Gute zu Tage gefördert.

Hass, so die Dortmunder Botschaft, hat im Fußball nichts zu suchen. Unter dem Eindruck der aktuellen Geschehnisse wirken die Vorkommnisse am Sonntag rund um das Derby zwischen Karlsruher SC und dem VfB Stuttgart noch unpassender. Die Partie hatte unmittelbar vor dem Abbruch gestanden, weil im KSC-Block Feuerwerksraketen gezündet wurden. Der Fußball darf auch weiter Rivalitäten pflegen. Sie gehören zur Tradition. Derartig aggressiv ausgelebte Feindschaften wie zwischen Karlsruhe und Stuttgart gehören aber nicht mehr in diese Zeit.

In dieselbe Richtung geht auch die Ansage von Dortmunds Clubchef Hans-Joachim Watzke, der am Mittwoch angekündigt hatte, dass seine Mannschaft nun für alle spielen werde, „egal ob Borusse, Bayer oder Schalker“. Gerade mit dem Reviernachbarn hat den BVB bisher nur die gegenseitige Abneigung verbunden.

Nach zwei Abenden und einem Champions-League-Spiel verbindet Borussia Dortmund dagegen schon jetzt sehr viel mit dem AS Monaco. Die Entscheidung, diese Partie einen Tag später stattfinden zu lassen, war richtig. Beim europäischen Fußballverband dürfte bei der Entscheidung für die schnelle Neuansetzung allerdings weniger die Unbeugsamkeit im Vordergrund gestanden haben, sondern mehr das Interesse, einen eng getakteten Terminplan einzuhalten. Nach dem Motto des Ex-Nationaltorwarts Oliver Kahn: „Weiter, immer weiter!“

Es gilt auch, die Freiheit des Einzelnen zu verteidigen

Dennoch wurde so das wichtige Zeichen gesetzt, das da lautet: Wir knicken nicht ein vor dem Terror, wir lassen uns unser Leben nicht durch Gewalt verändern. Diese Forderung lässt sich natürlich am Redaktionsschreibtisch oder auf dem Sofa vor dem Fernseher ganz locker formulieren. Viel schwerer ist es, als Dortmunder Spieler einer realen Gefahr zu trotzen – im Wissen, zur Zielscheibe von Verbrechern geworden zu sein. Versprechen sich die Terroristen durch den Anschlag auf Prominente offenbar die größtmögliche Aufmerksamkeit.

In dieser Situation gebietet es aber auch der Respekt, Verständnis dafür zu haben, wenn ein Spieler in Folge des Erlebten, nach eine Pause verlangt, oder ein Zuschauer sich gegen den Stadionbesuch entscheidet. Das ist die Freiheit des Einzelnen, die es in Zeiten der Terrorangriffe auch zu verteidigen gilt.

Videobericht zum Anschlag auf den BVB-Bus: