Frankreichs Präsident François Hollande wirkt in der Krise nicht wie ein Stratege, sondern wie ein hilfloser Heimwerker. Seine Politik schafft deshalb kein Vertrauen, befindet der Frankreich-Korrespondent der StZ, Axel Veiel.

Paris - Die Luftveränderung wird ihm guttun. In Marokko erwarten Frankreichs Präsidenten an diesem Mittwoch frühlingshafte Temperaturen, und die Beziehungen zum Königreich sind ungetrübt. Alles wäre also bestens, müsste François Hollande am Donnerstag nicht schon wieder die Heimreise antreten. Denn in Frankreich sieht es finster aus. Die Wirtschaft wächst nicht, die Arbeitslosigkeit steigt seit 22 Monaten und nähert sich der Elfprozentmarke. Das mit Brüssel vereinbarte Defizitziel ist nicht mehr zu erreichen, die Steuerschraube bereits überdreht. Die Staatsausgaben haben 56 Prozent des Erwirtschafteten erreicht.

 

Und was macht der Präsident? Er erinnert an einen Heimwerker, der in baufälligen Gemäuern hier ein Schräubchen in diese, dort eines in jene Richtung dreht und freimütig einräumt, dass die Bastelei nicht viel bringt. In diesem Jahr sei keine Besserung zu erwarten, hat Hollande gesagt. Es folgte beschwichtigend Gemeintes. Sein Werkzeugkasten sei gut bestückt, er habe alles Notwendige an der Hand.

Hollandes Instrumente greifen nicht

Womit sich freilich der fatale Schluss aufdrängt: Wenn der Niedergang nicht fehlerhaftem Werkzeug zuzuschreiben ist, dann wohl demjenigen, der das Gerät nicht zu nutzen weiß. Nur knapp ein Jahr nach Hollandes Wahl neigen bereits mehr als zwei Drittel der Franzosen zu dieser Annahme.

Nun ist es nicht so, dass der Präsident nicht wüsste, was zu tun ist. Ein investitionsfreundliches Klima tut not. Wenn der Staat angesichts leerer Kassen und misstrauischer Märkte kein Wachstum, keine Arbeitsplätze schaffen kann, dann müssen es eben die den Genossen als Ausbeuter verdächtigen Unternehmer tun. Hollande, im Herzen Sozialdemokrat, weiß das. Vorbei die Zeiten, da er Spitzenmanager geschmäht und Wettbewerbsnachteile der französischen Wirtschaft geleugnet hat. Zuversichtlich stimmt auch, dass der im Ruch der Entscheidungsschwäche stehende Politiker im Präsidentschaftswahlkampf oder auch als Kriegsherr in Mali bewiesen hat, dass er beherzt zur Sache gehen kann. Wenn er es in der Wirtschaftskrise nicht tut, dann deshalb, weil er im Netz unhaltbarer Wahlversprechen und der Doktrin der eigenen Partei gefangen ist.

Die Politik schafft kein Vertrauen

So gering es im Angesicht der Krise anmutet, wenn Hollande etwa erwägt, das Füllhorn der Familienbeihilfen nicht mehr gleichermaßen über Arm und Reich auszuschütten oder die Lebensarbeitszeit um ein Jahr heraufzusetzen – für Frankreichs Sozialisten ist dies ein Tabubruch. So bescheiden der Fortschritt der jüngst ausgehandelten Arbeitsmarktreform auch sein mag: Die Linke ruft Verrat. Von rechts und links unter Beschuss genommen, prescht Hollande hier einen Schritt vor, weicht dort einen zurück. So hat er den Unternehmen erst eine Steuererhöhung verordnet, dann Steuerbefreiung gewährt. Er hat Sarkozys Rentenreform teilweise rückgängig gemacht und will nun selbst das Rentenalter heraufsetzen. Er hat Spitzenverdienern eine Reichensteuer von 75 Prozent angekündigt, will sie wegen verfassungsrechtlicher Probleme aber den doch angeblich zu entlastenden Unternehmen aufbürden.

Das Ergebnis ist eine Politik, die alles schafft, nur kein Vertrauen in eine wirtschaftlich gedeihliche Zukunft. Wenn das so bleibt, wird sich nichts zum Guten wenden. Das gilt für Frankreich, aber auch für Europa. Wie soll die EU vorankommen, wenn deren zweitgrößte Wirtschaftsnation vor sich hin improvisiert? Zudem sucht der Staatschef anders als der von ihm verehrte sozialistische Vorgänger François Mitterrand in wirtschaftlicher Not nicht die Nähe zu Deutschland. Als „freundschaftliche Spannung“ beschreibt Hollande sein Verhältnis zur Bundeskanzlerin. Was bleibt, ist die Hoffnung, dass mit dem Leidensdruck auch der Mut zur Erneuerung wächst. Hollande hat nicht mehr viel zu verlieren. Zu gewinnen hat er umso mehr.