Den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz gibt es, ein entsprechendes Angebot in der Schule nicht. Deshalb müssen Grundschulen beim Ausbau der Ganztagsschulen Priorität haben, fordert die StZ-Redakteurin Renate Allgöwer.

Stuttgart - Eigentlich ist die Sache ganz logisch. Auf einen Rechtsanspruch auf Kleinkindbetreuung muss ein verlässliches Angebot für die Schulkinder folgen. Die Grundschule sollte beim Ausbau von Ganztagsschulen Priorität haben, denn das oft beklagte Betreuungsloch, das sich nach der Einschulung auftut, muss geschlossen werden.

 

Die Absichten sind die besten. Die grün-rote Landesregierung verspricht in ihrem Koalitionsvertrag allen Schülern ein wohnortnahes Ganztagsschulangebot. Auch CDU und FDP haben schon 2006 zu ihrer Regierungszeit ein Programm aufgelegt mit dem Ziel, 40 Prozent der Schulen zu Ganztagsschulen zu machen. Dennoch geht es nur langsam voran, und Baden-Württemberg hinkt im Ländervergleich hinterher. Jüngst ergab eine Bertelsmann-Studie: nur jeder sechste Schüler im Südwesten kann ein Ganztagsangebot wahrnehmen, weniger sind es nur in Bayern.

Verpflichtende Angebote wären am besten

Der stockende Ausbau hat viele Gründe. Nach wie vor sind die Inhalte strittig. Die Regierung tüftelt mit den Kommunen, mit Sport und Kultur nun an einem tragfähigen Ganztagsschulkonzept für das Land. Das wird auch Zeit. Pädagogisch ist vergleichsweise unstrittig, dass es die gebundene Form der Ganztagsschule ist, die wesentlich dazu beiträgt, die gesellschaftlich nicht akzeptable Verbindung von Herkunft und Bildungserfolg aufzulösen und die Chancen benachteiligter Schüler auf gute Bildung zu steigern. Nur mit den verpflichtenden Angeboten der gebundenen Ganztagsschule lassen sich neue Verbindungen von Unterricht, Übungsphasen, Hausaufgaben, Sport- und Musikangeboten und auch von individueller Förderung umsetzen.

Doch diverse Umfragen zeigen, dass die Mehrheit der Eltern im Südwesten – wenn überhaupt – freiwillige Angebote bevorzugt. Nach wie vor gibt es bei vielen Familien große Vorbehalte gegen den verbindlichen Ganztagsbetrieb. Dem stehen die berufstätigen Eltern gegenüber, für die das Angebot essenziell ist. Die Wirtschaft ruft laut nach Ganztagsschulen, argumentiert mit Fachkräftemangel und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Es kann bei Ganztagsschulen nicht um Zwangsbeglückung gehen, ein zufriedenstellendes Angebot lässt sich wohl auch nicht an der Zahl der Schulen im Land ablesen. Das Ziel muss sein, jedem Schüler, der sie will und braucht, den Besuch einer Ganztagsschule zu ermöglichen.

Den Konsens zu gefährden ist wenig hilfreich

Das wird teuer. In der grün-roten Koalition wächst langsam die Erkenntnis, dass sie nicht alle Versprechungen erfüllen kann. Es wird höchste Zeit, dass Grüne und SPD gerade in der Bildungspolitik das Wichtige vom Wünschenswerten unterscheiden. Es ist richtig, wenn die Grünen sagen, die Grundschule müsse Vorrang bekommen. Es ist falsch, die SPD dabei in die Rolle des Zauderers zu drängen. Anders als etwa beim neunjährigen Gymnasium hatte sich gerade beim Ausbau der Ganztagsgrundschule ein Konsens zwischen SPD und Grünen abgezeichnet. Den zu gefährden ist wenig hilfreich.

Bei den Verhandlungen mit den Kommunen ist Geschlossenheit innerhalb der Regierung gefragt. Die Auseinandersetzungen werden hart genug werden. Die Kommunen zeigen wenig Neigung, für den Ganztagsbetrieb in die Tasche zu greifen. Sie sind für Bildung auch nicht zuständig. Möglicherweise muss unterschieden werden zwischen verbindlichen und freiwilligen Angeboten. Die Kommunen sollten aber auch bedenken, dass ihnen das Land vor zwei Jahren bei der Finanzierung der Kinderbetreuung weit entgegengekommen ist – und für Betreuung sind die Kommunen zuständig. Eine vergleichbare Verständigung wäre bei den Ganztagsschulen wünschenswert. Bis dahin ist der Weg noch weit. Nicht wenige Hoffnungen ruhen zudem auf dem Bund. Doch warten viele Beteiligte erst mal den Wahlausgang ab.