Google hat sich mit einem Federstrich von dem milliardenschweren Engagement beim Handyhersteller Motorola verabschiedet. Doch für den mit tiefen Taschen versehenen Internetriesen ist das kein Beinbruch, meint Andreas Geldner.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Hat Google dieses Mal eine echte Pleite hingelegt? Gelegentlich garniert mit einer Prise Schadenfreude werden viele sich nach dem Verkauf des Smartphonegeschäfts von Motorola diese Frage stellen. Einkaufspreis 12,5 Milliarden Dollar, Verkaufserlös knapp drei Milliarden. Das sieht wie eine heftige Bauchlandung aus. Doch so einfach ist die Rechnung nicht. Google hat einst beim Kauf von Motorola nicht nur von milliardenschweren Bargeldreserven und Steuervorteilen profitiert, sondern durch frühere Teilverkäufe Milliarden erlöst. Außerdem behält der Internetgigant den Zugriff auf 15 000 Patente. Das Geschäft könnte also am Ende nur mit einem kleinen Verlust ausgehen.

 

Aufschlussreich sind aber weniger die Zahlen, sondern die dahintersteckende Strategie. Google hat den Hardwarehersteller Motorola so lange behalten, wie er dabei half, das eigene Smartphone-Betriebssystem Android auf dem Markt zu verankern. Zu einem Zeitpunkt, an dem sich das Verkaufswachstum der Geräte verlangsamt und der womöglich überehrgeizige chinesische Hersteller Lenovo auf diesen Markt drängt, hat Google den Ausflug in die Welt der Mobilgeräte beendet. Ein paar Milliarden hin oder her sind bei einer Kriegskasse von 41 Milliarden Euro und einer Marktkapitalisierung von 272 Milliarden Euro nur Taschengeld.

Die Bereitschaft zu kühnen Experimenten, gepaart mit der Fähigkeit, sie ohne Federlesen wieder abzubrechen, ist das Erfolgsgeheimnis von Google. Allein 2013 hat Google 15 Unternehmen gekauft. Der eiserne Grundsatz ist es, damit die Dominanz seiner Suchmaschine und der dort angedockten Angebote zu verteidigen. Auch nach 15 Jahren ist Googles Vorherrschaft beim Durchkämmen des Internets unangefochten. Das ist angesichts der Rolle, welche die Suchergebnisse für unser Bild von der Welt spielen, schon unheimlich. Doch die zutiefst kapitalistische, amerikanisch-pragmatische Motivation von Googles Geschäftspolitik wird häufig missverstanden.

Der Namen Google allein garantiert noch keine Erfolge

Dafür spricht der Tenor der Schlagzeilen zu einigen Übernahmen der vergangenen Tage. Google kauft einen Thermostathersteller: Dringt das Datenmonster nun auch in unsere Wohnungen ein? Google übernimmt ein kleines, unbekanntes britisches Start-up, das sich mit künstlicher Intelligenz beschäftigt: Will Google nun auch noch unsere Gedanken lesen? Dabei geht unter, dass viele Firmen seit Jahren am Thema smartes Heim oder künstliche Intelligenz arbeiten, ohne dass damit verbundene (Schreckens-)Visionen eingetreten sind. Allein die Tatsache, dass Google ein Geschäftsfeld entdeckt, heißt nicht, dass man erfolgreicher sein wird als andere.

In Deutschland ist die Einstellung zu dem eher gefürchteten als geliebten US-Unternehmen besonders paradox: Aus Bequemlichkeit oder aus Überzeugung nutzt hier ein deutlich höherer Prozentsatz der Internetnutzer Googles Suchmaschine als beispielsweise in den USA. Wir googeln, wenn wir das Stichwort Datenkrake suchen. Doch gleichzeitig wird Google viel mehr überhöht als in seinem Heimatland. Gerade hat der Rivale Facebook etwa gezeigt, dass nicht nur Google bei mobilen Anzeigen expandieren kann. Die Google-Chefs haben oft seltsame Zukunftsbilder vom vernetzten Menschen in die Welt gesetzt. Doch von den „Nerds“, wie man in den USA leicht autistische IT-Freaks nennt, haben sie sich zu nüchternen Geschäftsleuten entwickelt. Die Krake Google kann, wenn die Dollars davonzuschwimmen drohen, sensibel sein. Der Gigant spürt den Druck der Nutzer. Die empfindliche Reaktion auf den NSA-Skandal oder die verstärkte Kooperationsbereitschaft mit der EU beim Thema Wettbewerbsschutz zeigen, dass Google in Ruhe Geld verdienen will. Der halb geglückte, halb gescheiterte Motorola-Deal enthält so eine wichtige Lektion: Auch Google ist fehlbar.