Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras fordert Schuldenerleichterungen für sein Land – und erfährt Unterstützung durch SPD-Chef Sigmar Gabriel. Doch verringert man jetzt den Reformdruck auf Athen, wäre das ein falsches Signal, findet unser Griechenland-Korrespondent Gerd Höhler.

Athen - Seit Jahren wird das Thema debattiert, jetzt kommt es offiziell auf die Tagesordnung der Verhandlungen Griechenlands mit den Gläubigern: Schuldenerleichterungen. Aber: Braucht Griechenland diese überhaupt? Die erdrückende Last der Verbindlichkeiten scheint dafür zu sprechen. Griechenlands Staatsschulden beliefen sich nach Berechnungen der EU-Kommission Ende 2015 auf 311,4 Milliarden Euro, also 177 Prozent des letztjährigen Bruttoinlandsprodukts (BIP). In diesem Jahr soll die Schuldenquote auf 183 Prozent steigen – das Dreifache der im EU-Stabilitätspakt vorgesehenen Schulden-Obergrenze von 60 Prozent. Dass Griechenland diese Schulden jemals zurückzahlen kann, ist unwahrscheinlich.

 

Das gilt allerdings für die meisten Länder. Ob Schulden tragfähig sind oder nicht, hängt nicht nur von ihrer Höhe im Vergleich zur Wirtschaftsleistung ab, sondern vor allem von den Konditionen, zu denen sich ein Staat verschuldet. Und da sind die europäischen Gläubiger Athen bereits sehr weit entgegengekommen. Die Laufzeiten der Kredite, die Griechenland von 2010 an im Rahmen des ersten Hilfspakets bei den anderen Euro-Staaten aufgenommen hat, wurden schrittweise auf 30 Jahre erhöht. Beim zweiten Rettungspaket wurden sie von 17,5 auf 32,5 Jahre heraufgesetzt. Diese Tilgungsfrist gilt auch für das dritte Hilfsprogramm. Außerdem wurden Griechenland im Februar 2012 mit dem Schuldenschnitt Verbindlichkeiten bei privaten Gläubigern von 107 Milliarden Euro erlassen.

Tsipras trieb das Land an den Rand des Staatsbankrotts

Dennoch ertönt nun der Ruf nach weiteren Schuldenerleichterungen. SPD-Chef Sigmar Gabriel argumentiert, die griechische Wirtschaft wachse wieder, und dieses „zarte Pflänzchen“ gelte es zu stärken, nämlich durch Schuldenerleichterungen. Gabriel liegt falsch. Die griechische Wirtschaft wächst nicht, sie schrumpft wieder, seit Alexis Tsipras und seine Koalition aus Links- und Rechtspopulisten regieren. Mit seinem Konfrontationskurs gegenüber den Gläubigern trieb Tsipras 2015 das Land an den Rand des Staatsbankrotts.

Für den angerichteten Schaden mussten die europäischen Steuerzahler aufkommen – mit dem dritten Rettungspaket. Allein für die Stützung der griechischen Banken waren Hilfskredite von 5,4 Milliarden Euro erforderlich. Diese verantwortungslose Politik jetzt mit Schuldenerleichterungen zu belohnen, wäre unverantwortlich. Das würde die Regierung Tsipras nur ermutigen, die Strukturreformen weiter zu verschleppen und finanzpolitisch die Zügel schleifen zu lassen.

Die Schuldenfrage kann noch warten

Verringert man jetzt mit Schuldenerleichterungen den Reformdruck auf Athen, wäre das auch ein falsches Signal an die Wirtschaft und die Investoren. Einen Erlass des „größten Teils“ der Staatsschulden, wie ihn Tsipras im Wahlkampf versprach, wird es ohnehin nicht geben. Denkbar sind allenfalls nochmals verlängerte Laufzeiten und eine dauerhafte Festschreibung der mit durchschnittlich 0,8 Prozent sehr niedrigen Zinsen. Das wäre ein politisch kontroverser Forderungsverzicht der Gläubiger, ohne dass Griechenland dadurch kurzfristig erleichtert würde. Denn die Tilgung der Hilfskredite beginnt erst 2020. Bis dahin zahlt Athen auch keine Zinsen.

Die Schuldenfrage ist also keine eilige. Man kann also durchaus bis zum Abschluss des dritten Anpassungsprogramms im Sommer 2018 abwarten, ob die griechische Regierung bis dahin die geforderten Strukturreformen umgesetzt hat. Denn nur wenn die griechische Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig wird, können Schuldenerleichterungen das Land nachhaltig entlasten.

politik@stzn.de