Premierminister Samaras hat sein Kabinett umgebildet. Sein Ziel: die Ausgaben im Griff behalten, aber auch den Spardruck lindern. Griechenland muss diesen Spagat wagen, befindet der Athener StZ-Korrespondent Gerd Höhler.

Athen - Die neue Ministermannschaft des griechischen Premiers Antonis Samaras, die am Dienstag in Athen vereidigt wurde, hat vor allem eine Aufgabe: Nachdem die akute Phase der Krise überwunden und die unmittelbare Gefahr eines Staatsbankrotts gebannt ist, muss sie Griechenland aus der mittlerweile sechsjährigen Rezession zu neuem Wachstum führen. Davon hängt mehr ab als nur das Schicksal von Samaras bei den spätestens Mitte 2016 fälligen Parlamentswahlen. Das Auftrumpfen linkspopulistischer und rechtsextremistischer Parteien bei der Europawahl zeigt: es geht um den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die politische Stabilität des Krisenlandes.

 

In dem Wirtschaftsprofessor Gikas Hardouvelis hat sich Samaras nun einen hervorragenden Mann ins Finanzministerium am Athener Syntagmaplatz geholt. Hardouvelis genießt nicht nur als Ökonom internationales Ansehen. Er ist auch in der Politik kein Neuling. Von 2000 bis 2004 war er Wirtschaftsberater des damaligen Reformpremiers Kostas Simitis. 2011 und 2012 stand er in der gleichen Rolle dem Krisenmanager Lucas Papademos zur Seite. Hardouvelis gewann damals das Vertrauen der ausländischen Partner Griechenlands, der EU und des Internationalen Währungsfonds. Sein größter Vorteil: er ist parteilos und hat keine politischen Ambitionen, auf die er Rücksicht nehmen muss.

„Griechenland leidet“, sagt der neue Finanzminister

Es klingt daher unverdächtig, wenn Hardouvelis schon vor seiner Amtseinführung gesagt hat: „Griechenland leidet. In jeder Familie gibt es mindestens einen Arbeitslosen. Wir müssen einen Ausweg finden. Wir haben es nicht nur mit der Troika zu tun.“ Hardouvelis will damit nicht um die Sympathien der Wähler buhlen. Der neue Finanzminister ist alles andere als ein Populist. Er spricht lediglich eine komplizierte Wahrheit aus. Premierminister Samaras und sein Kassenwart Hardouvelis stehen vor einem schwierigen Spagat. Einerseits müssen sie an der Ausgabendisziplin festhalten, denn nur dann kann Griechenland von den Gläubigern Schuldenerleichterungen erwarten. Andererseits muss die Regierung den Spardruck zurücknehmen und die Steuerschraube lockern, damit die Konjunktur wieder anspringt und die Griechen eine Zukunftsperspektive bekommen.

Diese beiden Strategien scheinen sich zu widersprechen, führen aber in Wirklichkeit zu ein und demselben Ziel. Schuldenerleichterungen sind die Voraussetzung dafür, dass Griechenland langfristig wieder auf die Beine kommt. Im Gespräch sind längere Tilgungsfristen und niedrigere Zinsen. Das ist in der EU unpopulär, weil jede Erleichterung für den Schuldner vom Gläubiger, also letztlich den europäischen Steuerzahlern, Verzicht verlangt. Aber ohne Zugeständnisse ist die Schuldenlast Griechenland nicht tragbar.

Es geht nicht um Wachstum auf Pump

Wenn die Athener Regierung weniger für Zinsen und Tilgung aufwenden muss, hat sie mehr Spielraum im Haushalt. Sie kann die harten Einschnitte bei den Sozialleistungen mildern. Sie kann zudem mit gezielten, maßvollen Steuersenkungen den privaten Verbrauch ankurbeln, den Unternehmen Anreize zu neuen Investitionen geben und so das Land auf den Wachstumspfad zurückführen. Wohlgemerkt: es geht nicht darum, dass Griechenland zu einem Wachstum auf Pump zurückkehrt. Es geht nicht um einen Kurswechsel bei den Konsolidierungsbemühungen, sondern um eine Kurskorrektur. Nur wenn die griechische Wirtschaft wieder wächst, kann das Land seine Schuldenlast tragen und abbauen. Eine wichtige Voraussetzung für die Rückkehr zum Wachstum sind die Strukturreformen, die mehr Wettbewerb auf dem Binnenmarkt schaffen und zugleich Griechenland international konkurrenzfähiger machen. Da trifft es sich gut, dass der neue Finanzminister ein leidenschaftlicher Verfechter dieser bis jetzt nicht konsequent genug umgesetzten Reformen ist.