Die Landesregierung leistet sich zu viele Fehler. Das jüngste Beispiel lieferte der Verkehrsminister Hermann. Für den StZ-Redakteur Reiner Ruf erhebt sich deshalb die Frage: Was treiben die da?

Stuttgart - Auch wenn sich die düstere Prophezeiung jener CDU-Abgeordneten aus den Tagen des Landtagswahlkampfs 2011 als überreizt erwiesen hat, in Baden-Württemberg bleibe im Fall eines Wahlsiegs von Grünen und SPD kein Stein auf dem anderen, so ist doch in den vergangenen drei Jahren rege gewerkelt worden. Davon zeugen die zahlreichen landespolitischen Baustellen, die eröffnet wurden – wenn auch nicht unbedingt, das muss man aus gegebenem Anlass sagen, zur Hervorbringung neuer Straßen. Noch liegt viel Staub in der Luft. Doch langsam senkt er sich auf die Häupter der grün-roten Werktätigen. So schauen diese gerade auch aus. Regieren strengt an. Verändern kostet Kraft. Wer regsam ist, macht Fehler. Und die häufen sich.

 

Schon die Jahreswende brachte erstes Ungemach, als Vorzeigeminister Reinhold Gall pünktlich zum Start der Polizeireform eine Bruchlandung bei der Bestellung der Polizeipräsidenten hinlegte. Bald darauf begann der Streit um die Bildungspläne, deren achtbares Anliegen, an den Schulen mehr Sensibilität und Toleranz für sexuelle Vielfalt zu wecken, auf den Widerstand eines erregungswilligen Segments der Öffentlichkeit stieß. Grün-Rot reagierte darauf mit der Ratlosigkeit derer, die das Gute erstreben, aber nicht damit umgehen können, dass andere darin das Böse erkennen wollen. Diese Debatte ist der Koalition inzwischen entglitten, aus allen Richtungen gehen Vorschläge ein, was denn sonst noch so alles als pädagogische Maxime für das Schulleben taugen könnte.

Mit vielen Themen geht es nicht sichtbar voran

Und ausgerechnet vor der Kommunalwahl muss sich Verkehrsminister Winfried Hermann nun vorhalten lassen, Bundesmittel für den Straßenbau fahrlässig oder gar mutwillig liegen gelassen zu haben. Dass die Partei des ehrlichen Steuerzahlers – kurz: SPD – in Gestalt ihren Landtagsfraktionschefs gerade einen Strafbefehl wegen Steuerhinterziehung akzeptierte, trägt ebenfalls nicht zu einem positiven Erscheinungsbild bei. So entsteht ein diffuses Unbehagen, aus dem die Frage erwächst: Was treibt Grün-Rot da eigentlich?

Mit anderen Themen, die zum Identitätsbestand dieser Regierung zählen, geht es nicht sichtbar voran. Das gilt für den Ausbau der direkten Demokratie – obschon im Landtag darüber Ende vergangenen Jahres Einigung erreicht wurde – wie auch für den Fortgang der Energiewende, die sogar die Grünen-Klientel spaltet: Während die einen mit zunehmender Ungeduld auf neue Windräder und Stromtrassen warten, arbeiten andere an der Verhinderung derselben. Wenigstens kennen sich alle aus der Antiatomkraftbewegung.

Wo es still wird, tönt umso lauter, was zerbricht

In der Bundespolitik spielt das Land keine große Rolle. Dem Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann fehlt es bei seinen Berliner Parteifreunden an Durchschlagskraft. Und was den Bundesrat angeht, so zeigt das Beispiel der still beerdigten Doppelpass-Initiative des Landes: In Zeiten der großen Koalition braucht es keinen Kretschmann, um zwischen Roten und Schwarzen zu vermitteln. Das Wesentliche macht Kanzlerin Merkel mit den Herren Gabriel und Seehofer im kleinen Zirkel aus, die Länder nicken ab – zumindest, so lange die mächtige Düsseldorfer Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) still hält. Das ist bitter für Kretschmann, der sich in das Staatskunstwerk Föderalismus so leidenschaftlich versenken kann wie Tante Trude in ihren Liebesroman.

Eigentlich hatte sich die Koalition zur Mitte der Legislatur Ruhe verschrieben. Der Staub sollte sich legen, die Reformen sollten reifen – und die Bürger nicht überfordert werden. Das war der Plan. Doch wo es still wird, tönt umso lauter, was zerdeppert und zerbricht. Zum Glück für Grün-Rot geht auch auf der benachbarten Baustelle der Christdemokraten derzeit nichts voran. Dort herrscht Beziehungsstress. Aber das ist eine andere Geschichte.