Die grün-rote Landesregierung profitiert vom Ansehen ihres Ministerpräsidenten Kretschmann. Doch viel mehr bringt sie nicht zustande, kritisiert der StZ-Redakteur Reiner Ruf. Es fehlt eine klare Linie.

Stuttgart - Hoch über Baden-Württemberg, irgendwo auf einer freundlichen, weißen Wolke, thront Winfried Kretschmann und strahlt gütig auf das von ihm präsidierte Land hinab. Prächtige Landschaften breiten sich aus vor seinem Auge, brummende Fabriken – und dort, just in jenem Winkel unten, steht die Regierungszentrale, wo gerade die Koalitionsspitzen tagen, um sich ein weiteres Mal ebenso ratlos wie verdrießlich über die Lage zu verständigen.

 

Diese Lage aber ist bescheiden. Zur Mitte der Legislaturperiode hin befindet sich die grün-rote Koalition ungefähr an dem Punkt, an dem der Langstreckenläufer darüber nachzudenken beginnt, ob es nicht netter wäre, am Pool zu liegen – neben sich ein kühles Getränk und was auch immer sonst noch. Einen Grund muss es schon haben, dass Regierungschef Kretschmann auf die Frage, wie es denn nun weitergehe mit dem Sparen und mit den Schulen, also mit den bestimmenden Themen der Landespolitik, nur antwortet: die Opposition wisse ja auch keinen Rat.

Die Regierung bietet ein wirres Bild

Diese Auskunft tröstet den Wähler wenig, hat er doch die einen in die Regierung geschickt in dem Glauben, sie könnten es besser machen als die anderen, die sich am Pool, Pardon, in der Opposition nach 58 Jahren aufreibendem Rauf- und Runterregieren erholen dürfen.

Tatsache ist, dass Grün-Rot weder eine praktikable Vorstellung davon hat, wie bis zum Jahr 2020 die Neuverschuldung auf null zu bringen ist, noch eine belastbare Einschätzung vorträgt, wie das mit alten Versprechungen und neuen Ansprüchen in der Bildungspolitik vereinbart werden kann. Kretschmann beharrt darauf, dass die 11 600 Lehrerstellen in den nächsten Jahren gestrichen werden, während sich Teile der SPD von diesem Plan heimlich verabschieden und nur noch nicht wissen, wie sie das öffentlich sagen. Kultusminister Andreas Stoch (SPD) werden schon ein paar Formulierungen einfallen. Ins wirre Bild passt, dass Vizeministerpräsident Nils Schmid (ebenfalls SPD) machtvoll verkündet, es würde keine einzige Lehrerstelle über die 11 600 hinaus gekürzt. Das hat nun wirklich niemand gefordert, außer dem Rechnungshof, der mit seinem „30 000 Stellen weg“-Theorem indes auf den gesamten Personalbestand des Landes zielt.

Das interne Krisenmanagement fehlt

Die Grünen möchten grüne Politik machen, die SPD gern rote, beide aber sehen sich aber wegen der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse zu einer Art Agendapolitik genötigt. Diese ist unpopulär, und sie mindert die Wahlchancen. Bleibt sie aber aus, werden künftige Landeshaushalte unter dem Regime der Schuldenbremse in die Verfassungswidrigkeit abgleiten. Der Bund profitiert bei der Etatsanierung von der gegenwärtig guten Arbeitsmarktlage, welche die Sozialausgaben drückt. Die Länder jedoch stöhnen unter den Personalkosten, die mehr als 40 Prozent ihrer Haushalte ausmachen. Bis jetzt zeigt sich Grün-Rot der Aufgabe nicht gewachsen.

Ein Problem liegt auch darin, dass Grün-Rot über kein internes Krisenmanagement verfügt. Da kann SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel noch so oft seine Grünen-Kollegin Sitzmann als „liebe Edith“ charmieren, worauf diese dann notgedrungen den „lieben Claus“ bezirzt. Im Zweifel macht Schmiedel mit seiner mitunter so schnell wie grell dahingepinselten Rhetorik wieder alles zunichte, was er zuvor an Vertrauen aufgebaut hat. Die Koalition zusammenhalten und gleichzeitig die SPD profilieren – dieser Spagat überfordert. Eine der Aufgaben sollte Schmiedel seinem Parteichef und Vizeministerpräsidenten Schmid überlassen. Es ist ohnehin die Frage, ob es in der Koalition im Krisenfall ein rotes Telefon gibt; und wenn ja, wen es verbindet. Im Zweifel Kretschmann mit Schmid, aber ob die beiden sich verstehen, wenn sie miteinander reden, gilt als fraglich. Mit der Verbindung vom Bodenpersonal nach Wolke sieben hapert es ziemlich.