Mit seinen unangemessenen Worten bei einer Rede vor Unternehmern hat der EU-Kommissar Günther Oettinger mal wieder Kompetenz und Feingefühl vermissen lassen. Ein Kommentar.

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Brüssel - Die Figuren mit Ecken und Kanten sind im Politikbetrieb rar geworden. Von Kommunikationsprofis werden Äußerungen heutzutage so lange fein geschliffen, bis Parteien, Charaktere und Lager kaum mehr voneinander unterscheidbar sind. Da ist es erfrischend, wenn ein Akteur auch einmal Profil zeigt. Selbst wenn ein Satz - zumal in gesprochener Rede und im Eifer des Gefechts - einmal über das Ziel hinaus schießt. Es macht aber einen gewaltigen Unterschied, vor welchem Publikum eine Äußerung fällt: Ob einer im kleinen Kreis „etwas zu saloppe“ Worte findet oder im öffentlichen Raum.

 

Eine Rede vor Unternehmern, für die Günther Oettinger (CDU) nun kritisiert wird, ist eine Rede im halböffentlichen Raum. Dabei hätte er Ausdrücke wie „Schlitzaugen“ und „Pflicht zur Homo-Ehe“ nicht benutzen dürfen. Nicht zuletzt der Digitalkommissar hätte wissen müssen, dass im Internetzeitalter so was schnell in die Öffentlichkeit gerät, wo viele darauf warten, sich zu empören. Problematischer als die Ausdrücke ist: Oettinger passiert es immer wieder, dass ihm die Pferde durchgehen. Diese Schwäche ist sein persönliches Sicherheitsrisiko als Spitzenpolitiker. Tragisch ist, dass er sich damit selbst am meisten schadet. Da ruiniert ein überaus fleißiger und hoch kompetenter Politiker alle paar Jahre wieder den Ruf, den er sich über eine lange Strecke aufgebaut hat.