Ex-Bundestagsabgeordneter und jetzt Ex-CDU-Mitglied: Der Parteirebell Siegfried Kauder kehrt der Partei den Rücken. Zuletzt ließ er keine Gelegenheit aus, sich auf ihre Kosten zu profilieren, kommentiert StZ-Redakteur Wolfgang Messner.

Stuttgart - Der Rückzug Siegfried Kauders aus der CDU ist richtig, konsequent und angemessen. Er kommt nur viel zu spät. Der „kleine Kauder“, wie der ein Jahr jüngere Bruder des Merkelvertrauten Volker Kauder oft genannt wird, ist damit lediglich einem für ihn und für die Christdemokraten peinlichen Verfahren zuvor gekommen, das unweigerlich zu seinem Ausschluss aus der CDU geführt hätte. Insofern tut er gut daran, wenigstens diese Schlammschlacht zu vermeiden.

 

Siegfried Kauder gilt heute als Rebell in seiner Partei. Der Jurist aus dem Schwarzwald aber kämpfte nicht um eine gute Sache, sondern nur für sich selbst. Das Rebellentum hatte der lange Zeit angepasste linientreue Alemanne erst spät entdeckt. Dann aber ließ er keine Gelegenheit aus, sich auf Kosten seiner Partei und seiner Gegner zu profilieren. Eigensinn ging ihm vor Gemeinwohl. Seine früheren Parteifreunde an der Basis haben das früh erkannt und sich von ihrem Abgeordneten abgewandt. Immer herrischer, starrköpfiger und selbstverliebter war er ihnen erschienen. Umgekehrt hatte Kauder üble Gerüchte aushalten müssen, die seine parteiinternen Gegner über eine schwere Krankheit, berufliche Schwierigkeiten und über sein Privatleben schwirren ließen.

Ein Rebell, der für sich selbst gekämpft hat

Als er dann gegen seinen Kontrahenten, den CDU-Landesvize Thorsten Frei, den Kampf um die Nominierung als CDU-Bundestagskandidat verloren hatte, schien seine Karriere beendet zu sein. Nach seiner Logik konnte, durfte er das nicht zulassen. Wohl auch, weil die erlittene narzisstische Verletzung zu groß war, die diese Schmach bei ihm ausgelöst hatte. Kauder wollte nicht verstehen, wie die Partei ihn einfach hatte ablösen können. Und dann auch noch zu Gunsten eines „Bürgermeisters“. Ihn, der den Rechtsausschuss des Bundestages und den BND-Untersuchungsausschuss geleitet hatte. Er, der ein wichtiger Mann war in Berlin. Unverzichtbar geradezu.

So versuchte er sein Glück im Alleingang. Die Partei konnte gar nicht anders, sie musste dies als schädigendes Verhalten verstehen. Doch wenn der Fall Kauder eines auch aufzeigt, dann, wie weit unsere Demokratie sich schon in der Logik des Parteienstaates verfangen hat. Denn durch die Alleinkandidatur Kauders wurde nicht etwa die Demokratie geschädigt, sondern bestenfalls eine Interessengemeinschaft in ihr. Das muss eine Demokratie und auch eine Partei aushalten können. Das wusste der Rechtsgelehrte Siegfried Kauder nur zu gut. Aber es nutzte ihm nichts.

In seiner Verblendung hatte er sich selbst höher geschätzt als sein Amt, das ihm nur auf Zeit verliehen war. Der Begriff Politiker leitet sich aus dem griechischen Wort „Polis“ ab. Das steht für die Stadt, aber auch den Staat. Ein Zoon Politikon, der Urtyp des Politikers, ist ein Lebewesen in dieser Gemeinschaft. Sein Handeln muss auf den Gemeinsinn hin ausgerichtet sein. Der Politiker Siegfried Kauder hat dies vergessen mit den Jahren, in denen er seine Bedeutung wachsen sah. Teilhabe an der Macht um ihrer selbst Willen - da ist Kauder gewiss kein Einzelfall. Der Bürger hat dafür ein Gespür und lehnt so einen Typus Politiker ab. Ohne den schützenden Kokon der CDU stürzte der Direktkandidat Siegfried Kauder ab. Gerade einmal drei Prozent der Wähler konnte er auf seine Seite ziehen. Ja, in gewisser Weise war Kauder ein Rebell. Aber nur einer, der für sich selbst gekämpft hat.