Wenn Lance Armstrong tatsächlich die Titel aberkannt werden, gibt es keinen unbescholtenen Nachfolger. Das ist ein bezeichnendes Dilemma, meint StZ-Redakteur Tobias Schall.

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Stuttgart - Wie absurd die ganze Geschichte wird, erkennt man bei einem Blick auf die Ergebnislisten. Dort sind Sünder unter sich. Die Resultate der Tour de France in jenen Jahren der Regentschaft des Lance Armstrong gleichen einem Schwarzbuch der Sportbetrüger. Das Tour-Tableau ist keine Heldensammlung, wie man früher naiv dachte, sondern es steht stellvertretend für die Dopingexzesse des entfesselten Hochleistungssports: ein deprimierendes Mahnmal.

 

Lance Armstrong reiht sich also als Nächster ein in diese Liste, in der es nicht mal einen würdigen Nachfolger gibt, falls dem US-Amerikaner seine Siege aberkannt werden sollten. Wer frei von Sünde ist, werfe seinen Hut in den Ring. Doch wer sollte das sein? Es wäre ein Treppenwitz der Sportgeschichte, wenn nun die Aushängeschilder der Freiburger Dopingschule, Jan Ullrich und Andreas Klöden, Toursiege zugesprochen bekämen. Bei anderen Namen wäre es nicht besser. Es findet sich auf den Plätzen hinter dem US-Amerikaner niemand, den man mit gutem Gewissen küren könnte. Wer soll die Siege bekommen? Oder soll Armstrong sie behalten? Ein Dilemma, das Bände spricht über die Zustände des Radsports dieser Zeit. Jegliche Glaubwürdigkeit ist da längst verspielt.

Der Radsport wird unter dem Fall Armstrong leiden

Lance Armstrong hat kein Dopinggeständnis abgelegt, vielmehr rechtfertigt er sich wortreich und spricht von einer Hetzjagd. Aber er gibt den Kampf um seine Unschuld auf und umgeht damit eine mögliche Aussage. Damit räumt er seine Schuld ein. Es ist nicht das Ende, das man sich nach dieser jahrelangen Dopingjagd gewünscht hat, weil es eben nur ein indirektes Eingeständnis ist. Aber auch das ist insofern vielleicht eindeutig, weil es nicht zu Armstrong passt. Ausgerechnet er, dieser Kämpfer, der erst den Krebs besiegt hat und dann die steilsten Rampen der Alpen, er, der nie aufgegeben hat, gibt sich geschlagen – er würde es wohl nicht tun, wenn er die Wahrheit auf seiner Seite wüsste.

Die Indizien waren erdrückend. Und wer hat wirklich ernsthaft geglaubt, dass in einer Ära, von der längst bekannt ist, dass praktisch flächendeckend gedopt worden ist, ausgerechnet der herausragende Akteur dieser Zeit nur mit der gottgegebenen Kraft seines Körpers gefahren ist?

Das Kapitel Armstrong ist aber noch lange nicht geschlossen – und unter dem Vermächtnis von ihm und seiner Generation wird der Radsport noch lange leiden.