Lebensversicherungen lohnen sich immer weniger als Sparanlage. Die Sparer zahlen die Zeche für die Finanzkrise, stellt die StZ-Redakteurin Andrea Gregor fest. Deshalb sollte sich die Politik mit den Versicherungen beschäftigen.

Stuttgart - Der Satz ist historisch: „Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind“, verkündete die Kanzlerin im Oktober 2008. So richtig glaubwürdig war das Merkel’sche Garantieversprechen für 511 Milliarden Euro schon damals nicht. Und heute? Die Finanzkrise ist zum Dauerzustand geworden. Mit Symbolik lassen sich die immer virulenter werdenden Probleme nicht lösen. Aktuell sind es die Lebensversicherungen, um die sich Politiker, Anbieter und Bürger sorgen.

 

Doch einen Satz wie „Wir garantieren die Sicherheit aller Lebensversicherungen“ wird sich die Kanzlerin wohlweislich verkneifen. Dabei geht es hier sogar um noch mehr Geld als bei den Spareinlagen. Im vorigen Jahr hat die Branche Kapitalanlagen – sprich Kundengelder – von 765 Milliarden Euro verwaltet. Angesichts kümmerlicher Zinsen weit unter der Teuerungsrate ist es allerdings zwingend, dass sich die Politik mit den Lebensversicherungen beschäftigt.

Insolvenzen sind denkbar

Zum einen, weil dieses in Deutschland sehr beliebte Kombinationsprodukt aus Sparen und Risikoschutz traditionell stark vom Gesetzgeber reguliert wurde. Zum anderen, weil die Niedrigzinsphase womöglich jahrzehntelang anhält. Berlin hat bereits Stresstestszenarien durchgerechnet. Ein Fünftel der untersuchten Anbieter kann demnach 2018 möglicherweise nicht mehr alle Anforderungen der Finanzaufsicht erfüllen. Das ist alarmierend und sollte vom Lobbyverband GDV nicht einfach als „hypothetische Betrachtung“ abgetan werden. Versicherungsmanager halten auf lange Sicht Insolvenzen für denkbar.

Auch deshalb ändert die Koalition das Versicherungsaufsichtsgesetz. Seit einiger Zeit müssen die Gesellschaften die Hälfte ihrer Bewertungsreserven an die Kunden ausschütten. Diese Finanzpolster entstehen etwa durch Kursgewinne bei Aktien und Rentenpapieren. Die andere Hälfte bleibt im Bestand. Künftig sind Kappungen bei den Reserven möglich. Jüngere Kunden sollen nicht gegenüber älteren, deren Verträge bald ausgezahlt werden, benachteiligt werden. Das ist nachvollziehbar. Profitieren Sparer bei älteren Policen doch von einem hohen Garantiezins (vier Prozent) und enormen Steuervorteilen. Jüngere Sparer, die etwa nach 2005 eine Lebensversicherung gekauft haben, genießen weniger oder keine Steuervorteile. Zudem wurde der Garantiezins immer weiter gesenkt. Aktuell beträgt er 1,75 Prozent – wohlgemerkt auf den Beitragsanteil, der in die Kapitalanlagen fließt. Bis zu 50 Prozent der Beiträge müssen für Abschluss- und Verwaltungskosten sowie Versicherungsleistungen wie Todesfallschutz aufgebracht werden.

Neuregelung schafft mehr Gerechtigkeit

Die Änderung bei der Beteiligung an den Bewertungsreserven empfinden viele langjährige Versicherte als himmelschreiend ungerecht. Aus ihrer Sicht ist sie es auch. Zumal – und das ist skandalös – die Branche ihren Kunden vielfach verschweigen wollte, was für ein Geschenk ihnen die Politik da gemacht hat. Es ist nicht das erste. Für die Gesamtheit der Kunden schafft die Neuregelung aber mehr Gerechtigkeit.

Der zu verteilende Kuchen aus klassischen Lebenspolicen wird kleiner. Die Sinnfrage stellt sich absolut. Neben den politisch gewollten niedrigen Zinsen machen weitere Faktoren das Produkt unattraktiver: die Unisextarife, die steigende Lebenserwartung, höhere Regulierungsanforderungen, die die Assekuranz viel Geld kosten. Schon wollen einige Anbieter, darunter Marktführer Allianz, vom Prinzip jahrzehntelanger Garantiezahlungen abrücken. Neue Tarife, die nur über einen Teil der Laufzeit eine feste Mindestverzinsung bieten, sollen in den Markt gedrückt werden. Alternativ schlagen Versicherungsmanager vor, den Garantiezins stärker an Kapitalmarktschwankungen anzupassen – ein Offenbarungseid.

Die Branche sieht sich als Opfer der Finanzkrise. In Wahrheit sind die Sparer die Opfer. Es wird fast unmöglich, sich eine vernünftige Altersvorsorge aufzubauen.