Internationale Diplomaten flüchten aus Libyen, das im Chaos versinkt. Aber seiner politischen Verantwortung kann sich der Westen nicht entziehen, kommentiert StZ-Redakteur Martin Gehlen.

Tripolis - Himmelhohe Flammen über Tripolis, Diplomaten auf der Flucht – die Lage in Libyen kulminiert dieser Tage zu einer Katastrophe, die am Ende die ganze Nation, ihre Reichtümer und die Zukunft ihrer sechs Millionen Bürger ruinieren könnte. Drei Jahre nach dem Sturz von Muammar al-Gaddafi existieren Regierung und Staatsgewalt nicht mehr. Stattdessen laufen 200 000 bewaffnete Militante im Land herum, deren Treiben niemand mehr Einhalt gebieten kann.

 

Der Westen war dem libyschenVolk im Kampf gegen Gaddafis Diktatur mit Luftangriffen beigesprungen. Danach aber wurde die neue politische Klasse viel zu früh sich selbst überlassen – in dem naiven Glauben, nach erfolgreichen Wahlen von Parlament und Präsident würde sich ein handlungsfähiger Staat automatisch entwickeln. Libyen jedoch degenerierte zu einem chaotischen Gebräu aus Waffenschmuggel, Wirtschaftskrise, Privatkriegen und Bandenkriminalität. Monatelang blockierten selbst ernannte Freiheitskämpfer die Ölverladehäfen des Landes, so dass dem Staatshaushalt ein Milliardenschaden entstand.

Die spektakuläre Ausreise der Diplomaten aber sollte niemanden täuschen. Der Westen kann sich jetzt nicht einfach aus dem Staub machen. Er trägt auch weiterhin Mitverantwortung für Libyens Zukunft.