Ein Erfolg der islamistischen Rebellen könnte nicht nur Mali, sondern ganz Westafrika ins Chaos stürzen. Deshalb ist das Eingreifen der französischen Armee zwar riskant, aber richtig, meint der StZ-Redakteur Christoph Link.

Stuttgart - Französische Panzer rollen durch die Sahara, Kampfjets bombardieren die Stellungen der Islamisten in Mali. Urplötzlich ist ein neuer Krieg in Afrika entflammt – und Deutschland wird beteiligt sein. Gestern hat Berlin die Entsendung von Transportflugzeugen in den Wüstenstaat angekündigt, und verwundert fragt sich der Bürger, ob wir nach der Verteidigung Deutschlands am Hindukusch nun unsere Werte in der Sahara schützen müssen.

 

Der Einsatz Frankreichs hat im offiziellen Berlin und in den Medien – bis hin zur linken taz – ein positives Echo gefunden. Aber es tauchen auch Bedenken auf. Wie kann ein militärisches Eingreifen mit einer malischen Regierung verabredet werden, deren Legitimität zweifelhaft ist, da sie durch einen Militärputsch ins Amt kam? Weshalb greifen europäische Soldaten in Afrika ein, während sie in Syrien dem grausamen Schlachten des Diktators Assad ohnmächtig zuschauen? Wird mit zweierlei Maß gemessen, weil Frankreich wirtschaftliche Interessen in Afrika verfolgt?

Terrorbanden in Mali

Am einfachsten lässt sich der Syrien-Vergleich klären. Anders als in Mali gab es  dort keinen „nationalen“ Hilferuf zum Schutz der Souveränität des Landes vor aus dem Ausland eindringenden Aggressoren. Denn, das darf nicht übersehen werden: die treibende Kraft der islamistischen Rebellion in Mali besteht aus ausländischen Terrorbanden der Al-Kaida im islamischen Maghreb, die aus Algerien eingesickert sind und ihr Geld mit Kidnapping und Drogenhandel verdienen.

Dass eine säkulare, einheimische Tuareg-Gruppe jetzt aus der Rebellenallianz ausscheiden will, stärkt diese These. Anders als in Mali gab es in Syrien wegen des Neins der Russen und Chinesen auch keine UN-Konvention, auf die sich ein Eingreifen hätte stützen können.

Ganz Westafrika könnte ins Chaos stürzen

Die islamistischen Rebellen im Norden Malis haben in den vergangenen Monaten ein Terrorregime nach Art der Taliban errichtet: mit strengster Auslegung der Scharia, Steinigungen, Auspeitschungen und Amputationen, wie sie der toleranten Tradition des Islams in Mali widersprechen. Sie haben binnen Wochen einen Staat, der wegen seiner kulturellen Schätze viele Touristen anlockt, ins Elend gestürzt und faktisch geteilt. Mit ihrem Marsch auf die Hauptstadt Bamako drohten sie, ein Volk von 15 Millionen Menschen mit westlichen Werten in Geiselhaft zu nehmen.

Das mögliche Übergreifen des islamistischen Terrors auf fragile Nachbarländer wie Niger, Burkina Faso oder Mauretanien könnte ganz Westafrika in ein Chaos reißen – nur wenige Flugstunden von Europa entfernt.

In dieser Lage handelte Frankreichs Präsident François Hollande rasch und konsequent, weil er nicht warten wollte, wie Bamako in die Hände der Islamisten fällt, während in Brüssel noch am Grünen Tisch über die Ausbildungspläne der EU für die malische Armee gegrübelt wird.

Solidarität ist in Europa gefragt

Die meisten afrikanischen Regierungen legen keinen Wert auf starke Armeen. Sie haben mit Bildung und Gesundheitsvorsorge genug zu tun. Es hat in der jüngsten Geschichte des Kontinents viele Belege dafür gegeben, dass ein kurzes Eingreifen westlicher Militärs Krisenherde beruhigte. Die Briten schafften in Sierra Leone 2000 mit ihrer Attacke auf die marodierenden West-Side-Boys die Wende zum Frieden. Gleiches gelang US-Truppen später in Liberia, die Franzosen stoppten 2003 Massaker im Ostkongo. Auch in der Elfenbeinküste hat Frankreich – abgesegnet durch UN-Mandate – durch mehrfaches Eingreifen 2011 einen Neuanfang nach jahrelangen Bürgerkriegswirren bewirkt.

Die Militäroperation in Mali ist nicht ohne Risiken, aber notwendig, will die EU nicht Al-Kaida vor ihrer Haustür haben. Europäische Solidarität gegenüber Paris ist nun das Gebot der Stunde. Die langfristige Aufgabe bleibt den Bürgern von Mali überlassen. Sie müssen sich wieder um feste staatliche Strukturen und Demokratie bemühen.