Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) ist gesundheitlich angeschlagen und zieht daraus die Konsequenzen. Das verdient Respekt, meint der StZ-Redakteur Thomas Maron.
Berlin - Am Ende ging es nicht mehr. Matthias Platzeck musste sich eingestehen, dass er den Belastungen nicht mehr gewachsen war. Nach einem leichten Schlaganfall hat er das Amt des Ministerpräsidenten Brandenburgs aufgegeben. Die Entscheidung verdient Respekt. Denn es ist keine Selbstverständlichkeit im politischen Geschäft, den Warnsignalen des eigenen Körpers Glauben zu schenken.
Es war schon immer eine Stärke dieses Sozialdemokraten, sich nicht für unentbehrlich zu halten. Sicher, er wollte nach oben, auch er kostete gern die süßen Früchte der Macht. Aber er ist in der Lage zu verzichten, wenn am Ende der Preis womöglich das eigene Leben sein könnte. In einer Zeit, in der Leistungswille gern gleichgesetzt wird mit der Bereitschaft, sich aufzuopfern, setzt Platzeck damit einen bemerkenswerten Akzent. Es lohnt, darüber nachzudenken, denn Selbstüberschätzung ist nicht nur bei Politikern tägliche Übung. Sie dient vielen als Selbstschutz in einer Gesellschaft, in der sich die Menschen beängstigend oft dazu verdammt fühlen, in allen Lebensphasen verwertbar zu sein.
Der Rücktritt als SPD-Chef wurde als Schwäche ausgelegt
Im April 2006 hatte Platzeck schon einmal Größe gezeigt, indem er seine Schwäche eingestand. Da war er nach dem Rücktritt Franz Münteferings gerade mal fünf Monate lang SPD-Chef gewesen, bejubelt von den Genossen wie ein Heilsbringer. Manche hatten ihn nach seiner Rede auf dem Karlsruher Parteitag im November 2005 sogar mit Willy Brandt verglichen. 99,4 Prozent der Delegierten wählten ihn zum Vorsitzenden, besser schnitt vor ihm nur Kurt Schumacher ab. Die SPD träumte bereits von einer neuen Ära. Matthias Platzeck war dem nicht gewachsen. Und er traute sich, dazu zu stehen.
Nach zwei Hörstürzen und einem Nerven- und Kreislaufzusammenbruch trat er als Parteichef zurück. Er zog es vor, möglichst lange sterblich zu bleiben, statt sich zum Preis des eigenen Niedergangs als neuer Willy Brandt unsterblich zu machen – was, bei Lichte betrachtet, ohnehin ein recht schwieriges, wenn nicht gar unmögliches Unterfangen gewesen wäre. Viele in der SPD legten ihm seinen Rücktritt damals als Schwäche aus. Die Brandenburger nicht. Als Ministerpräsident blieb er beliebt, obwohl, wahrscheinlich sogar gerade weil er sich als Mensch offenbart hatte. Platzeck war, mehr noch als zuvor, einer von ihnen. Ein Gegenbild zu jenen Westpolitikern, die sich aus Sicht vieler Ostdeutscher in Szene setzen, als seien sie unfehlbar. Platzeck war einer, der sich wie so viele in Brandenburg mit dem als unberechtigt empfundenen Vorwurf konfrontiert sah, neuen Herausforderungen nicht gewachsen zu sein. So etwas verbindet.
Ein Rückschlag für den Wahlkampf der SPD
Politisch war Platzeck nach seinem Rücktritt kein großes Licht mehr. Und auch seine Verdienste im Land blieben fortan überschaubar. Die Querelen um den Bau des neuen Berliner Großflughafens schienen ihn, der zuletzt Aufsichtsratsvorsitzender war, völlig zu überfordern. Dennoch war er mit seinen 59 Jahren als Landesvater in Brandenburg unangefochten. Was allerdings nach elf Jahren Amtszeit weniger seiner visionären Stärke zuzuschreiben, sondern eher der Schwäche seiner Gegner anzulasten ist. Wenn die SPD nicht will, hat die CDU in Brandenburg keinen Bündnispartner. Weil die SPD derzeit nicht will, muss die CDU trotz Platzecks Rücktritt gegen eine schier unüberwindbare rot-rote Mehrheit kämpfen – noch dazu mit bescheidenem Personal.
In der Bundes-SPD spielte Platzeck keine Rolle mehr. Für den SPD-Wahlkampf ist sein Rückzug dennoch ein herber Schlag. An der Seite des in Brandenburg antretenden Fraktionschefs Frank-Walter Steinmeier sollte der begnadete Menschenfischer auf Stimmenfang gehen. Daraus wird nichts. Ein Problem mehr für den Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück. Aber mit Problemen kennt sich Steinbrück ja aus.