Angela Merkel findet bei ihrem Besuch in Athen warme Worte für Griechenland. Doch besser wäre eine Antwort auf die Frage gewesen, wie Europa den Griechen helfen will, meint der Brüsseler StZ-Korrespondent Christopher Ziedler.
Brüssel - Was für ein bedeutungsschwangerer Besuch! Vor drei Jahren noch wäre die Visite der Kanzlerin in Griechenland kaum mehr als eine Randnotiz gewesen. Jetzt, viele Milliarden Euro und viele Zumutungen später, ist alles anders: In Angela Merkel und Antonis Samaras haben sich die Vertreter zweier EU-Partner getroffen, die zu Gegenspielern und zum Gegenstand von Beschimpfungen geworden sind. Dass nicht nur der griechische Premier als Bittsteller regelmäßig nach Berlin und Brüssel reist, sondern die Repräsentantin des größten Geberlandes einmal nach Athen fährt, war im Sinne der Verständigung überfällig. Es muss Schluss sein mit Nazivergleichen auf der einen und dem Vorwurf genetisch bedingter Faulheit auf der anderen Seite! Hoffentlich kam der Besuch dafür nicht zu spät.
Die warmen Worte der Anerkennung für das von Griechenland Geleistete bereiten den Boden dafür, dass das Land trotz weiterer verfehlter Marken zusätzliche Hilfsmilliarden erhält, um in der Eurozone bleiben zu können. Hinter den Kulissen wird längst daran gearbeitet, wie das neue Finanzloch gestopft werden kann – wobei die Lust auf einen Schuldenschnitt zulasten der Geberländer gering bleibt. Größer wird der nachzuschießende Betrag dadurch, dass Athen mehr Zeit für die Erfüllung seiner Reform- und Sparziele erhält.
Die Politik wird einen Rabatt gewähren
Unter der politischen Maßgabe, dass Griechenland im Euroraum stabilisiert werden soll, ist das im Prinzip der richtige Weg. Man kann nicht einerseits davor warnen, die griechische Wirtschaft vollends kaputtzusparen, andererseits aber publikumswirksam auf die Einhaltung derselben harten Bedingungen pochen, die den Zusammenbruch mit herbeigeführt haben. Auch die Troika der Experten von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Weltwährungsfonds hat das erkannt. Die Politik folgt ihr und wird mit großer Sicherheit einen gewissen Rabatt gewähren.
Alles auf gutem Weg also? Mitnichten! Die griechischen Etatzahlen, die die Troika demnächst auftischt, werden schlecht sein. Eigentlich wäre dann Schluss mit der Hilfe, doch hat sich auch im Kanzleramt längst die Überzeugung durchgesetzt, dass ein griechischer Austritt unkalkulierbare Folgen hätte. Offiziell zurückgenommen wird diese Drohung deshalb aber noch lange nicht. Stattdessen wird die Mär aufrechterhalten, dass die Troika in Athen einzig und allein überprüft, wie weit die griechische Regierung bei der Einhaltung ihrer Zusagen gekommen ist. In Wahrheit werden hier neue Vorgaben zu Reformen und schmerzhaften Kürzungen verhandelt und beschlossen.
Eine ehrliche Debatte kommt nicht zustande
Politisch kaum legitimiert erledigen Beamte das Geschäft, den Griechen die nächsten Kürzungen ins Haushaltsbuch zu schreiben. Dabei steht ihre Expertise zunehmend infrage, da der Währungsfonds gerade erst die eigenen Prognosen hinterfragt hat. Es ist die „Tragödie Troika“, die in Athen aufgeführt wird und das Bild Europas dort bestimmt. Eine ehrliche Debatte darüber, wie Europa Griechenland helfen sollte, kommt nicht zustande.
Die Politik macht sich mehr denn je einen schlanken Fuß – seit Monaten verweisen Merkel und ihr Finanzminister auf den kommenden Troikabericht. Dabei ist längst klar, dass eine politische Entscheidung darüber ansteht, ob Griechenland trotz der Versäumnisse in der Eurozone bleiben darf und die Geldgeber dafür noch einmal draufsatteln müssen. In Athen geht es nur noch darum, diese Zuzahlung über weitere Sparmaßnahmen möglichst kleinzuhalten. Auf den Aufruhr in der Berliner schwarz-gelben Koalition darf man bereits gespannt sein. Merkels Besuch hat am Dilemma, das die Kanzlerin mit verursacht hat, nichts geändert. Viel wäre aber gewonnen, wenn die Politik die Bürger mit ihren wahren Zielen konfrontierte – in Griechenland und Deutschland.