Nokia verkauft sein Handygeschäft an Microsoft. Ob die Allianz allerdings erfolgreich sein wird, daran hat der StZ-Wirtschaftschef Michael Heller seine Zweifel. Nokia und Microsoft seien schließlich die Verlierer der vergangenen Dekade.

Stuttgart - Es ist der vorläufige Schlusspunkt einer rasanten Talfahrt. Nokia, zu Beginn des Jahrtausends hierzulande noch der Inbegriff des Handyherstellers, streckt die Waffen und verkauft sein Geschäft mit Mobiltelefonen an den US-Konzern Microsoft, der seit einigen Jahren Partner der Finnen ist. Wenn die Börse den Deal richtig einschätzt, dann ist der gestrige Dienstag ein richtiger Glückstag für Nokia gewesen. Die Aktie legte zeitweise um fast die Hälfte zu. Zur Wahrheit gehört allerdings auch dies: Nokia ist an der Börse schon einmal mit knapp 170 Milliarden Euro bewertet worden; mittlerweile ist es gerade mal noch ein Zehntel davon.

 

Bei dem finanzstarken Microsoft-Konzern ist die Handysparte von Nokia gewiss in guten Händen. Ob die Allianz freilich zu überzeugenden Angeboten für die kritische Kundschaft führt, ist keineswegs sicher. Trotz seiner verfügbaren Finanzmittel von zuletzt fast 80 Milliarden Dollar gehört Microsoft ebenso wie der schwächelnde Nokia-Konzern eher zu den Verlierern der zurückliegenden Dekade.

Mit eigenen Geräten war Microsoft wenig erfolgreich

Das Unternehmen mit der einst Furcht einflößenden Marktmacht verdient sein Geld vor allem mit dem Windows-Betriebssystem und der Office-Bürosoftware. Mit eigenen Geräten wie dem Musikplayer Zune, dem Handy Kin und dem Tablet Surface konnte Microsoft keinen Erfolg landen. Schlimmer noch: der Siegeszug der mobilen Anwendungen via Smartphone bedroht die Windows-Office-Festung, die auf Desktop-Computern und Laptops gegründet ist.

Nokia bringt mit Gewissheit die Voraussetzungen mit, die Schwäche von Microsoft auf der Geräte-Seite zu beheben. Die technische Kompetenz der Finnen ist unbestritten. Sie waren aber mehrfach zu langsam, um rasch auf neue Trends zu reagieren – so wie beim Aufkommen der Steuerung via Touchscreen. Schnelligkeit ist aber auch nicht gerade die Stärke von Microsoft. Die Amerikaner haben einst lange die Bedeutung des Internet verkannt und sind erst spät mit dem Browser Explorer und der mäßig erfolgreichen Suchmaschine Bing in den Markt eingestiegen; auch auf dem Markt für Spielekonsolen waren sie mit ihrer X-Box Nachzügler.

Apple taugt nur bedingt als Vorbild

Microsoft ahmt mit der Übernahme der Handy-Sparte von Nokia den Rivalen Apple nach, der schon immer darauf gesetzt hat, Geräte ebenso wie die entsprechende Software gut aufeinander abgestimmt anbieten zu können. Der erste Schritt hierzu wurde mit dem Mobil-Betriebssystem Windows Phone 8 für die Lumia-Handys von Nokia schon vor ein paar Jahren getan. Allerdings: der Durchbruch ist bisher ausgeblieben. Ohnehin taugt Apple nur bedingt als Vorbild.

Die Marke mit dem angebissenen Apfel als Logo hat ihren Kultstatus in einer Zeit errungen, als der charismatische Steve Jobs noch lebte und das Unternehmen seine Fangemeinde Jahr für Jahr mit einem Feuerwerk an Innovationen verzauberte. Die eigentlich nicht besonders überraschende Erkenntnis lautet: Auch Apple kann nicht jedes Jahr ein iPad oder ein iPhone erfinden. Seitdem neue Produkte auf sich warten lassen und der koreanische Wettbewerber Samsung immer mehr Marktanteile gewinnt, beginnt der Ruhm der Kalifornier zu verblassen. Und ausgerechnet jetzt, da sie ihre beste Zeit hinter sich zu haben scheinen, setzt Microsoft auf die gleiche Karte.

Das Management geht nun ein erhebliches Risiko ein, nimmt 32 000 Nokia-Mitarbeiter und viele Fabriken an Bord. Aber eine plausible Alternative hat sich nicht abgezeichnet. Denn Microsoft konnte sein Handy-Betriebssystem Windows Phone 8 bisher bei so gut wie keinem Hersteller außer Nokia durchsetzen. Ohne Partner wäre aber auch das beste Betriebssystem nutzlos. Und ohne Aussicht darauf, am Wachstum des mobilen Internet teilzuhaben, würde es schnell auch düster für den Softwaregiganten Microsoft aussehen.