Die neue Chefin der Stuttgarter Staatsgalerie ist nun im Amt. Eine ihrer Aufgaben wird sein, das Museum auch zu einem Treffpunkt der Gesellschaft zu machen, fordert der StZ-Kulturressortleiter Tim Schleider.

Kultur: Tim Schleider (schl)

Stuttgart - Am Donnerstagabend ist Christiane Lange in einem Festakt in ihr Amt als Direktorin der Stuttgarter Staatsgalerie eingeführt worden. Das war auf jeden Fall schon mal gut für das wichtigste Museum Baden-Württembergs. Bereits im November 2011 hatte Langes Vorgänger Sean Rainbird angekündigt, nach Dublin wechsel zu wollen. Eine solch lange Führungsvakanz tut keiner Kulturinstitution wohl, mag die Stellvertretung auch noch so verlässlich geregelt und das Programm auch noch so lang im Voraus festgezurrt gewesen sein: die zentrale Kunstsammlung des Landes in seiner Hauptstadt braucht langfristige Ziele und Strategien. Daran kann Lange mit den Mitarbeitern ihres Hauses nun endlich arbeiten. Und wer die 48-Jährige schon einmal in der Öffentlichkeit erlebt hat, der weiß: sie wird mit Schwung an diese Arbeit gehen.

 

Dabei geht es ja keineswegs nur um die Stellung der Staatsgalerie innerhalb der Stadt – obwohl auch hier zweifellos Arbeit auf Lange wartet. Viele Stuttgarter erleben inzwischen das Kunstmuseum am Schlossplatz als zentralen Ort für bildende Kunst in der Stadt – und das, obwohl die Staatsgalerie vom Umfang und von der Qualität ihrer Sammlung her den deutlich höheren Rang einnimmt und das Land in jüngerer Zeit enorme Mittel in die Sanierung investiert hat. Aber abgesehen von allen Inhalten leben Kulturinstitutionen eben auch vom Stil, mit dem sie sich in der Öffentlichkeit präsentieren, mit dem sie sich für die Bürgerschaft öffnen. Und diesbezüglich haben in jüngerer Zeit die beiden Direktorinnen des Kunstmuseums, Marion Ackermann und Ulrike Groos, mit Abstand die glücklichere und zupackendere Hand bewiesen als der doch etwas zu stark britisch-zurückhaltende Sean Rainbird.

Doch die aktuelle Agenda einer Museumschefin umfasst weitaus mehr als die lokale Profilierung – und Christiane Lange muss sie ebenso bearbeiten wie ihre Kollegen auch. Einerseits stehen die Museen in Deutschland glänzend da. Die Besucherzahlen erreichen Jahr um Jahr neue Rekorde. 2011 waren es mehr als 109 Millionen Menschen. Statistisch gesehen hat also wirklich jeder Bundesbürger mindestens einmal in dieser Zeit eine Ausstellung erlebt. Und doch hat der Präsident des Deutschen Museumsbundes, Volker Rodekamp, zum Jahreswechsel selbstkritisch festgestellt, dass seine Häuser soziologisch gesehen „nur ungefähr die Hälfte der Bevölkerung“ erreichen. Die Mitarbeiter der Museen müssten darum offensiver auf die „medienaffinen Jugendlichen“ zugehen; zudem spiele die Ansprache von Menschen mit „multikultureller Prägung“ noch eine viel zu geringe Rolle.

Orte der kulturellen Bildung

Museen erfüllen eine wichtige gesellschaftliche Doppelfunktion: Sie sind sowohl Orte der Wissenschaft als auch der kulturellen Bildung. Und es ist anzuerkennen, wie stark die deutschen Museen inzwischen gerade den zweiten Teil ihrer Aufgaben wahrnehmen. Fast alle Häuser im Land haben sich in den vergangenen zwanzig Jahren enorm verändert. Die beklemmende Stimmung früherer Zeiten, da man nur auf Zehenspitzen durch quasiheilige Hallen gehen durfte, ist verflogen. Übrigens war es gerade die Staatsgalerie Stuttgart, die schon früh die Öffnung hin zur Stadt und ihren Menschen zur Selbstverpflichtung aller Mitarbeiter machte.

Bund, Länder und Städte geben summa summarum erfreulich viel Geld aus, um ihre Museen zu finanzieren. Auch hier gilt: Kulturausgaben sind Investitionen. Wir brauchen Orte, in denen die Schätze und Zeugnisse der Künste und der Kultur zu erleben sind – sorgfältig bewahrt und durch kluge Mitarbeiter und Programme für möglichst viele Menschen zum Sprechen gebracht. Das ist die Basis: Museen müssen noch stärker und im besten Sinne ein Treffpunkt der Gesellschaft werden – nicht nur der besseren, sondern offen für alle.