Die amerikanische Waffenlobby will auf Amokläufe mit noch mehr Waffen reagieren. Anstatt Nachdenklichkeit zu zeigen, präsentiert sie haarsträubende Vorschläge, meint StZ-Autor Frank Herrmann.

Washington - Es sind bizarre Ideen, mit denen die amerikanische Waffenlobby auf die Tragödie von Newtown reagiert. Statt nachzudenken und alte Glaubenssätze in Frage zu stellen, statt das ruhige Gespräch mit ihren Gegnern zu suchen, wiederholt die NRA ebenso aufgebracht wie gebetsmühlenartig, was sie schon früher nach einem Amoklauf zu sagen hatte. Im Kern läuft es auf die These hinaus, dass die Gesellschaft besser und keinesfalls schlechter geschützt wäre, hätte jeder eine Flinte im Schrank. Weil dann jedermann Gegenwehr leisten könnte.

 

Nur, dass der politisch so mächtige Verband seine übliche Rhetorik diesmal mit einem haarsträubenden Vorschlag krönt. Geht es nach ihr, sollen schon nach den Weihnachtsferien bewaffnete Posten vor den Schulen aufziehen, wohlgemerkt, an allen Schulpforten Amerikas. Was NRA-Direktor Wayne La Pierre in einer griffigen Zeile bündelt, einer Zeile, die den tapferen Sheriff eines Westernfilms in Erinnerung rufen soll. „Der einzige Weg, einen bösen Jungen zu stoppen, ist ein guter Junge mit einer Kanone.“ Mal abgesehen von der billigen Romantik: Der Plan wäre die nächste Eskalationsstufe des Aufrüstungswahns. Was käme danach? Polizisten im Kino? Hermetisch abgeriegelte Kindergärten?

Kein Zweifel, nach Newtown gab es durchaus Waffenkritiker, die auf Lerneffekte bei der NRA hofften. Auf einen Dialog der Vernünftigen. Wer daran glaubte, sieht sich ziemlich abrupt eines Besseren belehrt. Keine Spur von Innehalten, keine Silbe der Selbstkritik. Wenn jemand eine Mitschuld trägt an Amokläufen, dann sind es für La Pierre immer die anderen. Die Medien, die Attentätern nachträglich zu ihren fünf Minuten des Ruhms verhelfen. Urbane Politiker, die keine Ahnung vom Landleben haben und Jäger zu Dämonen verzerren. Die Ärzte, die zu selten erkennen, wenn junge Männer an Wahnvorstellungen leiden. Sicher, auch darüber müssen kluge Köpfe in Washington reden. Nur eben nicht so selbstgerecht, wie die Waffenlobby es tut.