Das Massaker von Sant Anna wird doch noch aufgearbeitet – dank eines Überlebenden. Blamabel ist die Begründung des OLG vor allem für die Stuttgarter Staatsanwälte, meint der StZ-Autor Andreas Müller.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Alle waren sich einig: die Stuttgarter Staatsanwaltschaft, die übergeordnete Behörde, der Landesjustizminister. Natürlich sei es unbefriedigend, dass wegen des Nazimassakers von Sant Anna niemand mehr zur Rechenschaft gezogen werden könne, hieß es unisono. Aber das Strafrecht stoße hier eben an seine Grenzen, zumal nach siebzig Jahren.

 

Nun werden sie allesamt eines Besseren belehrt. Gegen die breite Front von Justiz und Politik hat einer der Überlebenden des Massakers zusammen mit seiner Anwältin einen bemerkenswerten Erfolg erstritten: Der Schlussstrich unter die Ermittlungen sei voreilig gewesen, entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe, im Fall des zuständigen Kompanieführers bestehe genug Anlass, Anklage zu erheben. Das Verfahren muss nun in Hamburg, wo der alte Mann lebt, wiederaufgenommen werden. Stirbt er nicht vorher, könnte es also doch noch zu einem Prozess kommen.

Blamabel ist die Begründung des OLG vor allem für die Stuttgarter Staatsanwälte, die ihre überlangen Ermittlungen mit einem fragwürdigen Ergebnis einstellten. Ihr krudes Argument, das Massaker habe sich vielleicht ungeplant ergeben, zerpflücken die Richter. Gründlich blamiert ist aber auch Justizminister Stickelberger. Er sollte künftig besser prüfen, ob und wann er sich schützend vor die Justiz stellt.