Generalbundesanwalt Harald Range wird kritisiert, weil er wohl nicht gegen den US-Geheimdienst NSA ermitteln wird. Aber nur die Politik könnte amerikanischen Machtmissbrauch begrenzen, kommentiert StZ-Redakteur Stefan Geiger.

Stuttgart - Strittig ist, ob Spionage das älteste oder das zweitälteste Gewerbe der Welt ist. Alle Staaten spionieren – mehr oder weniger erfolgreich. Die meisten tun dies zumindest ein bisschen auch bei vermeintlichen Freunden. Man kann ja nie wissen. Erfolgreiche Spione gelten in ihrer Heimat als heimliche Helden. Die selben Staaten aber bedrohen Spione, die bei ihnen aktiv sind, mit drakonischen Strafen. Spionage ist ein schmutziges Geschäft. Spione lügen und betrügen, missbrauchen Vertrauen für ihre Zwecke – sie wären sonst keine Spione. Vor allem aber belauschen sie, wen immer und wo immer sie können. Alle wissen das. Man könnte das ändern. Aber bisher wollte das niemand.

 

Die Regierung will nicht selbst den Schwarzen Peter haben

Als bekannt wurde, dass die USA massenhaft und systematisch deutsche Bürger in Deutschland belauschen und deren gesamte elektronische Kommunikation auswerten, war die Reaktion der offiziellen Stellen hier denn auch zurückhaltend. Die Regierung wiegelte ab. Immerhin profitierten die deutschen Dienste ja von der großen Lauscherei; sie leben von den Brosamen, die die Amerikaner ausstreuen. Richtig böse wurde die deutsche Regierung erst, als bekannt wurde, dass unter den Millionen, die belauscht worden sind, auch noch eine einzige Frau war, die nicht hätte belauscht werden dürfen: die Bundeskanzlerin. „So etwas geht unter Freunden gar nicht.“ Die Empörung dauerte genau so lange, bis sich die Erkenntnis durchsetzte, dass auch in diesem Fall persönliche Empfindlichkeiten hinter der Staatsräson zurücktreten müssen. Die Machtverhältnisse sind eben so.

Die Regierung hätte Generalbundesanwalt Range anweisen können, aus Gründen der Staatsräson auf Ermittlungen zu verzichten. Das Gesetz lässt das zu. Sie hat das offiziell nicht getan. Denn sie hätte dann den Schwarzen Peter gehabt. Stattdessen entsteht nun der Eindruck, Range habe freie Hand gehabt. Hätte die Regierung Ermittlungen ermöglichen wollen, hätten die Geheimdienste ihr Wissen preisgeben und die Kanzlerin hätte sich als Zeugin anbieten können, so wie man dies von jedem Staatsbürger erwartet, der von einer Straftat weiß. Ranges Hand ist genau so frei, dass er eine Einstellungsverfügung unterschreiben kann. Niemand, der ernst genommen werden will, konnte so naiv sein zu glauben, deutsche Staatsorgane könnten führende US-Beamte, in Wahrheit – zumindest wegen eines Organisationsversagens – den US-Präsidenten, vor den Kadi zerren.

Die Aktivitäten der NSA zerstören das Vertrauen in die USA

Die amerikanische Abhörpraxis ist verheerend. Sie zerstört das Vertrauen der Bürger in die USA. Sie verschiebt die Grenzen zwischen Gut und Böse. Sie schadet der Freundschaft zwischen Völkern. Sie untergräbt letztlich die Hoffnung, dass sich Bürgerrechte und demokratische Spielregeln durchsetzen. Das sollte man ändern. Man müsste in einem schwierigen und langwierigen Prozess gewisse Geheimdienstpraktiken international ächten, so wie man schon gewisse Formen der Kriegsführung geächtet hat. Hier wäre die Politik gefordert. Später könnten dann auch Juristen helfen. Heute ist Range der falsche Mann dafür.