Generalbundesanwalt Helmut Range ermittelt gegen den amerikanischen Geheimdienst NSA. Er stellt zu Recht Aufklärungswillen über diplomatische Bedenken, kommentiert Rainer Pörtner.

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)

Stuttgart - Wird Angela Merkel als Zeugin zur Verfügung stehen? Wird die Kanzlerin alles sagen, was sie zu dem Fall weiß? Wird sie die Bundesbehörden anweisen, alles zu tun, um die Ermittlungen zu unterstützen? Das sind pikante Fragen. Sie stellen sich, weil Generalbundesanwalt Harald Range ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts eingeleitet hat, dass der amerikanische Geheimdienst NSA jahrelang Merkels privates Vodafone-Handy abgehört hat.

 

Ranges Votum kommt überraschend. Es ist kein vergleichbarer Fall bekannt, in dem die Bundesrepublik Deutschland wegen des Ausspionierens seiner Regierungsspitze gegen einen befreundeten Staat ermittelt hätte. Der Fall des Günter Guillaume, der Anfang der 70er Jahre Bundeskanzler Willy Brandt bespitzelte, war dagegen eine einfache Sache: Gulliaume wurde sozusagen „in flagranti“ verhaftet, seine Auftraggeber saßen unzweifelhaft jenseits der Mauer, in der DDR. Jetzt aber geht es um die Spionagearbeit eines engen, ja: des vielleicht wichtigsten Verbündeten – der USA.

Auch wenn Range formal gegen unbekannt ermittelt, wird sein Vorgehen das ohnehin lädierte Verhältnis Berlins zu Washington weiter belasten. Range ist zu danken, dass er den Aufklärungswillen des Rechtsstaates über diplomatische Rücksichtnahmen gestellt hat. Wie sehr er dazu von der Bundesregierung ermuntert oder gebremst wurde, lässt sich nach jetzigem Informationsstand nicht sicher sagen. Es gibt Indizien für beide Thesen. Ebenso unklar bleibt, wie stark sich Range von dem starken öffentlichen Protest hat beeindrucken lassen, der anhob, als kolportiert wurde, er werde auf jede Ermittlung in Sachen NSA verzichten. Auf jeden Fall hat er neben dem rechtspolitischen ein gutes internationales Signal gesetzt: die Deutschen lassen sich auch von Freunden wie den Amerikanern nicht alles gefallen.

Erfolgsaussichten dieses Ermittlungsverfahrens sind schlecht

Für den Vertrauensschaden zwischen den beiden Völkern gibt es einen klar benennbaren Schuldigen: der sitzt im Weißen Haus und heißt Barack Obama. Nun wird es spannend zu erfahren, was der US-Präsident der Kanzlerin über die NSA-Lauschaktion gebeichtet hat – und wie weit Merkel bereit ist, darüber Auskunft zu geben. Die Kanzlerin ist ja vieles in diesem Verfahren: Opfer, Zeugin und als Regierungschefin gleichzeitig beauftragt, die langfristigen außenpolitischer Interessen der Republik zu schützen. Bislang deutet alles darauf hin, dass ihr die dritte Rolle die wichtigste ist.

Die Erfolgsaussichten dieses Ermittlungsverfahrens sind schlecht, weil die Faktenlage dünn und Hilfe durch die USA nicht zu erwarten ist. Noch dürftiger ist die Beweislage im zweiten, eigentlich weit bedeutenderen Teil der Vorwürfe: der Ausspähung privater und geschäftlicher Telekommunikation von Millionen deutscher Bürger. Range sollte auch hier nicht lockerlassen – selbst wenn ein Scheitern der Ermittlungen wahrscheinlicher ist als eine umfassende Aufklärung und die Bestrafung der Täter. Denn ein Rechtsstaat, der nicht einmal versucht sich zu wehren, gibt sich auf.