Barack Obama findet bei seinem Israel-Besuch die richtigen Worte. Er nimmt die Israelis für sich ein und versucht, die Regierung zu Zugeständnissen zu bewegen. Seine Saat könnte aufgehen, meint die Israel-Korrespondentin der StZ, Inge Günther.

Jerusalem - Barack Obama ist etwas gelungen, was Anwar al-Sadat vorgemacht hat, als er, der ägyptische Staatschef, im November 1977 nach Jerusalem reiste. Die Israelis waren damals begeistert, dass zum ersten Mal der Führer der größten arabischen Nation, mit der man mehrere blutige und existenziell bedrohliche Kriege ausgefochten hatte, ihnen die Ehre gab. Der Fall des US-Präsidenten liegt natürlich ganz anders. Obama kam als höchster Repräsentant des engsten Alliierten Israels. Er war nie ein Feind. Aber als Freund hatten ihn viele Israelis bisher auch nicht gesehen. Er erschien ihnen zu kühl, zu distanziert, zu kritisch gegenüber ihrer Regierung von Benjamin Netanjahu.

 

Nach drei Tagen Obama ist davon nichts mehr zu hören. Die israelische Stimmung ist umgeschlagen in einer Weise, die an den denkwürdigen Sadat-Besuch erinnert. Mit seiner Rede vor der Knesset, in der er Klartext über nötige Friedenskompromisse sprach, löste Sadat damals Begeisterungsstürme aus. Ähnliches ist Obama vor israelischen Studenten geglückt. Sie hingen an seinen Lippen, selbst als er ihnen unliebsame Wahrheiten nahebrachte: Vor allem die, dass Israel seine Besatzung im Westjordanland beenden muss, wenn es ein jüdischer und demokratischer Staat bleiben wolle.

An Friedensplänen mangelt es nicht

Wie das genau zu geschehen habe, sagte Obama nicht. Aber ein Nahost-Frieden ist noch nie wegen Mangels an Friedensplänen gescheitert. Die gibt es zuhauf. Woran es haperte, hatte meist mit politischer Psychologie zu tun: dem Unvermögen, sich in die Lage der anderen Seite zu versetzen. Die Existenzängste der Israelis zu verstehen, die hinter ihrem rauen Umgangston stecken. Und die Ohnmacht der Palästinenser, aus der ihr Zorn resultiert, weil ihr Leben bis in Alltagsfacetten hinein von einer Fremdherrschaft bestimmt wird.

Ohne Sicherheit für Israel und Souveränität für Palästina wird es nie keine Zwei-Staaten-Lösung geben. Obama begreift das besser als manche Nahost-Experten, die in dem seit zwanzig Jahren erfolglosen Friedensprozess zu Zynikern geworden sind. Aber in Ramallah hat er sich mit seinem Schmusekurs von Jerusalem keine Freunde gemacht. Eine unmissverständliche Forderung nach Siedlungsstopp, die Obama vermieden hat, zählt dort mehr als warme Worte. Die palästinensische Seite hätte es lieber gesehen, wenn Obama der Netanjahu-Regierung Druck gemacht hätte, statt Israel mit Anteilnahme und Komplimenten zu überschütten.

Weiches Wasser für harte Gegner

Der US-Präsident hat sich indes an die chinesische Weisheit gehalten, wonach harte Gegner mit weichem Wasser zu umspülen sind. Mit dem neuen israelischen Kabinett, das noch nationaler und noch weiter nach rechts orientiert ist als das alte, wird ein Friedensdurchbruch nicht zu machen sein. Doch für Netanjahu hat der Iran Priorität, und um eine Atommacht in Teheran zu verhindern, braucht er ein gutes Verhältnis zum Weißen Haus. Das könnte die israelischen Hardliner geschmeidiger machen und die von Washington gewünschten Goodwill-Maßnahmen gegenüber den Palästinensern ermöglichen. Kleine Schritte würden den Zwei-Völker-Konflikt zumindest entgiften. Ohnehin muss erst wieder Vertrauen aufgebaut werden, wenn sich im Friedensprozess etwas bewegen soll. Die konkreten Chancen dafür lotet jetzt US-Außenminister John Kerry aus.

Obama lässt ihm ein gut bestelltes Feld zurück. Die Saat hat er mit seiner enthusiastisch gefeierten Rede vor israelischen Studenten ausgebracht. Den Studenten hat er empfohlen, sich nicht allein auf Politiker zu verlassen, sondern selber etwas für eine bessere, friedliche Zukunft zu tun. Den gleichen Rat erteilte er vor vier Jahren ägyptischen Studenten in Kairo. Gut ein Jahr später brach der arabische Frühling aus. In Israel ist kein Systemsturz nötig, aber ein Umdenken: Frieden beginnt im Kopf. Den Anstoß hat Obama gegeben.