Die Sommerspiele in Rio de Janeiro sind Geschichte. Doch nach Rio 2016 zeigt sich, dass Olympia nach wie vor in der Krise steckt: Von dem Sport-Event hat keiner wirklich profitiert, meint unser Autor.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - In Tauberbischofsheim, der Kleinstadt im lieblichen Taubertal, ist die Welt noch in Ordnung. Einer aus TBB aber ist ausgezogen, um die große weite Welt zu erobern. In Montreal gewann er 1976 als Florettfechter die Goldmedaille mit der Mannschaft. Einige Karrieresprünge später endete der Weg ganz oben. Heute ist der Tauberbischofsheimer Jurist Thomas Bach der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) – die wichtigste Figur des Weltsports.

 

Das Amt von Thomas Bach verdient Respekt. Vor allem, weil einem als IOC-Chef alles um die Ohren fliegen kann, was schiefläuft bei Olympia: Doping, korrupte Funktionäre, Gastgeberländer, die Versprechen nicht einhalten. Am Sonntag sind die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro zu Ende gegangen. Und es gab vor und während dieser 16 Tage dauernden Sportparty tatsächlich wenige Problemfelder, die nicht beackert werden mussten. Sportfunktionäre lassen mit schmutzigen Tricks gedopte Athleten starten

Bach ist der Moderator der olympischen Idee, die mit fairen Wettkämpfen die Länder dieser Welt verbinden will. Doch nach Rio 2016 zeigt sich, dass Olympia nach wie vor in der Krise steckt. Man kann die Lust verlieren auf Spiele, die nach Sotschi vergeben werden, wo Präsident Wladimir Putin mit Protzbauten die Welt beeindrucken will, während seine Sportfunktionäre mit schmutzigen Tricks gedopte Athleten starten lassen. Das ist Betrug an all jenen, die sich eigentlich an den schönen Bildern im Zeichen der Ringe erfreuen wollen.

Auch in der aktuellen Russlandfrage hat Thomas Bach keine gute Figur abgegeben. Die russische Mannschaft hätte für Rio auch komplett gesperrt werden können. Das IOC und sein Chef haben es versäumt, bei den Staatsdopern anständig durchzugreifen – das hätte nicht nur Russland, sondern auch die Dopingbetrüger in anderen Ländern abgeschreckt. Vor allem aber wäre es ein Signal im Kampf gegen den Manipulationssumpf gewesen, wenn es diesen Kampf überhaupt gibt. Vielleicht wäre Bachs Amt durch solch eine harte Entscheidung in Gefahr geraten. Womöglich hätte es Ärger mit Putin gegeben. Auch keine glückliche Figur macht der IOC-Chef, wenn Bilder um die Welt gehen, die seine enge Freundschaft mit dem Staatschef dokumentieren. Nur wenige Wochen nach den Spielen in Sotschi rollten russische Panzer in Richtung Krim. Bach müht sich, wirkt aber ungeschickt. Die lebensfrohen Brasilianer haben für Stimmung gesorgt

Die Spiele in Russland und die gerade beendeten in Brasilien hat der IOC-Chef geerbt, die Olympia-Vergabe in diese Länder fanden vor seiner Amtszeit statt. Trotzdem gehört es jetzt zu seinen Aufgaben, Einfluss zu nehmen und sensibler zu agieren im Hinblick auf künftige Bewerber. Die Sommerspiele in Rio wurden von einem oftmals überforderten Gastgeber einfach nur abgewickelt. Hinsichtlich der Sportstätten wurden olympische Standards erfüllt, doch anderswo zeigten sich eklatante Defizite. Es waren die Spiele der viel zu langen Wege, der teils mangelhaften Unterkünfte und auch die Spiele der Improvisation. Die lebensfrohen Brasilianer haben zwar für Stimmung gesorgt, aber als etwas Besonderes wird Rio 2016 nicht in Erinnerung bleiben. Außerdem ist die Frage, was die Stadt davon hatte. Möglicherweise verfügt der Moloch am Atlantik jetzt über ein tendenziell verbessertes Transportsystem. Doch bleiben die von einer tiefen Rezession gequälten Brasilianer auf gigantischen Arenen und Hallen sitzen.

Olympische Spiele kommen zu Besuch – aber wofür eigentlich? Diese Frage haben sich auch die Anti-Olympia-Bürger in Garmisch und Hamburg gestellt. Mit Genugtuung werden sie feststellen, dass das Sportspektakel in Brasilien alles war, nur keine Win-win-Situation – weder für Rio noch für das Image Olympias. Mag sein, dass Thomas Bach an einem lauen Sommerabend im lieblichen Taubertal darüber nachdenkt. Es wäre zu hoffen.