Schmiergeld zu bezahlen, wenn es etwa um die Vergabe von Rechten oder von lukrativen Veranstaltungen geht, ist im Sport weit verbreitet. Jeder weiß es, keiner unternimmt ernsthaft etwas dagegen, lautet das Fazit des StZ-Sportredakteurs Tobias Schall.

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Stuttgart - Mario Monti ist noch keine drei Monate im Amt gewesen, da hat er die Reißleine gezogen: mit seinem „Nein“ zu Olympia. Im Februar stoppte der italienische Ministerpräsident die Bewerbung Roms für das Jahr 2020, womit er in Italiens Sport Empörung ausgelöst hat. Mit um die zehn Milliarden Euro Kosten hatte Rom kalkuliert. Zu viel, viel zu viel. „Wir können in der jetzigen Wirtschaftslage nicht die Gelder der Steuerzahler für ein großes Projekt wie die Olympischen Spiele investieren“, sagte Monti – nicht in diesen Zeiten, in denen es auf dem Kontinent bergab geht und soziale Einschnitte drohen. Wer Renten kürzt, sollte sich bei Statussymbolen zurückhalten.

 

Europa taumelt am Abgrund entlang. Was wird mit Griechenland? Was wird mit dem Euro? Das sind Fragen, die sich viele Menschen stellen, das ist die Realität. Realität ist aber auch etwas anderes: In London wird heute die größte Spaßveranstaltung der Welt eröffnet. Der bunte Wanderzirkus Olympia ist 16 Tage zu Gast im krisengeplagten Europa. Die Titanic geht unter, das Orchester spielt weiter?

Ausufernde Kosten

Das Spektakel einerseits und die ausufernden Kosten andererseits sind die beiden Seiten der olympischen Medaille. Der Kraft dieses Ereignisses können sich viele nicht entziehen, Hunderte Millionen Menschen auf der ganzen Welt werden in den nächsten gut zwei Wochen vorzüglich unterhalten und abgelenkt. Aber angesichts der Entwicklung auf dem krisengeschüttelten Kontinent fragen sich viele Briten, ob es das wert ist. Mehr als zwölf Milliarden Euro kostet London Olympia – der größte Teil davon sind Steuergelder. Die Finanzkrise ist damit auch ein Problem für die olympische Bewegung.

In vielen westlichen Ländern fehlt vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Schieflage der politische wie auch der gesamtgesellschaftliche Wille, zig Milliarden für Sportveranstaltungen auszugeben, die an anderer Stelle vielleicht sinnvoller verwendet werden könnten. Die Folge ist, dass sich das Koordinatensystem der Sportwelt verschiebt. Immer öfter wandern prestigeträchtige Großereignisse gen Osten: nach Russland zum Beispiel – oder nach Katar. Oder nach Asien oder in aufstrebende Nationen wie etwa Brasilien, die den Sport als PR-Bühne für ihren Sprung in die erste Welt nutzen wollen. Für die Funktionäre ist das ein Glücksfall, denn manches Bewerberfeld ist zuletzt dünn gewesen.

Kein Milliardengrab

Dennoch müssen Olympische Spiele kein Milliardengrab sein. Im besten Fall funktioniert das Fest der Ringe als Konjunkturpaket und Schönheitsoperation, weil neben den Sportstätten vor allem die Infrastruktur der ausrichtenden Städte modernisiert wird. München zum Beispiel hat von Investitionen in die Stadt anlässlich der Spiele 1972 profitiert. Barcelona hat 1992 einen neuen Stadtteil erschlossen und als Metropole an Anziehungskraft gewonnen. Gerade dieser weiche Faktor ist schwer in Euro umzurechnen, er ist aber nicht zu unterschätzen.

Öfter sieht man freilich olympische Ruinen: gigantische Sportstätten, für 16 Tage gebaut, als Mahnmal für die Ewigkeit. Seien es Bob- und Rodelbahnen, Sprungschanzen oder gewaltige Stadien und Hallen, für die es viel zu oft keine nachhaltige Nutzung gibt. Nach der Fußball-WM in Südafrika oder den Olympischen Spielen in Peking blieben solche sportlichen Grabstätten – sogenannte weiße Elefanten – zurück.

Auch Griechenland ist in diese Falle getappt. Das Land ist wie andere zuvor der Großmannssucht erlegen. Die Spiele 2004 haben zur Krise beigetragen. Kalkuliert waren die Kosten mit 4,6 Milliarden Euro, ausgegeben haben die Griechen angeblich bis zu 20 Milliarden – Geld, das man schon damals nicht hatte. Madrid übrigens bewirbt sich trotz Finanzkrise um die Spiele 2020. Olympia, heißt es dort, könne ein Katalysator für die Wirtschaft sein.