Das IOC will die Olympischen Spiele modernisieren und schlägt deshalb vor, ausgerechnet das traditionsreiche Ringen ausschließen. Damit verkaufen die Funktionäre den Geist der Spiele, kritisiert der StZ-Redakteur Tobias Schall.

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Stuttgart - Barack Obama soll es jetzt richten. Der US-Präsident mag ganz andere Probleme als Ringen haben, aber in den USA hat umgehend nach der Empfehlung des Exekutivkomitees des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), die Sportart aus dem Programm zu werfen, der Überlebenskampf des traditionsreichen Zweikampfs begonnen. Mit einer Unterschriftenaktion soll das Weiße Hause dazu gebracht werden, sich für den Verbleib bei Olympia einzusetzen.

 

Es ist ein Furor, wie ihn die Sportwelt noch nicht gesehen hat. Das Ansinnen des IOC hat im Sport, aber auch bis in höchste politische Ämter in klassischen Ringernationen wie Russland oder Iran Entsetzen ausgelöst – und auch aus Griechenland kommt eine scharfe Reaktion zum Vorhaben der Funktionäre. „Die Herren des IOC töten den olympischen Geist“, sagte der Präsident des griechischen Ringerverbandes, Kostas Thanos.

Das olympische Programm ist natürlich nicht zementiert, und es gibt einige Sportarten, über deren Daseinsberechtigung bei den Spielen man ernsthaft diskutieren kann – Ringen mit seiner langen olympischen Tradition gehört sicher nicht dazu. Ringen ist Opfer eines sportpolitischen Geschachers und eigener Unzulänglichkeiten geworden: Als einzige der gefährdeten Sportarten waren die Ringer nicht mit eigenen Vertretern vor Ort in Lausanne, um Lobbyarbeit zu betreiben. Das offenbart den deprimierenden Zustand des Ringer-Weltverbandes und ist eines von vielen Problemen dieser Sportart – trotzdem ist das Votum nicht nachvollziehbar.

Wie modern darf Olympia sein?

Das IOC verweist dagegen auf Quoten und Befragungen, nach denen die jahrtausendealte Sportart angeblich nicht mehr in den Zeitgeist passt. Es ist die olympische Gretchenfrage. Wie traditionell muss Olympia sein? Wie modern darf es sein?

Die Herren der Ringe haben diese Fragen beantwortet: Sie wollen das alte Spektakel einem Facelifting unterziehen. Das hat den Hintergrund, dass die Jugend der Welt der grandiosen Idee Olympia immer öfter die kalte Schulter zeigt. Jüngere Menschen können offenbar mit der Tradition Olympias und vielen Sportarten im Programm nicht viel anfangen. Deshalb arbeitet das IOC an einem Update für Olympia.

Die Spiele sollen schneller werden, rasanter, actionreicher, sich dem Lifestyle des digitalen Zeitalters anpassen. Mehr sportlicher Mainstream einerseits, mehr hippe Sportarten andererseits. Olympia wie in einem Videospiel, um für die Generation Xbox attraktiv zu sein – das ist die Idee der PR-Strategen. Die schauen neidisch auf die bei der Jugend populären X-Games des US-Senders ESPN mit Sportarten wie Surfen, Motocross oder Skateboard. Die X-Games gelten schon als der Circus Maximus des 21. Jahrhunderts.

Am Ende geht es um Geld, nicht um Tradition

Olympia wäre gerne ein bisschen so. Bei den Winterspielen wurden neue Sportarten wie etwa Skicross oder Snowboard ins Programm aufgenommen. Im Sommer war Beachvolleyball der Vorreiter, dem die Rad-Trendsportart BMX gefolgt ist. Das muss nicht zwangsläufig schlecht sein: Beachvolleyball hat sich etabliert, auch Skicross oder BMX haben ihren Reiz. Es spricht nichts gegen eine sanfte Modernisierung – aber mit dem Schritt, Ringen zu eliminieren, würde eine Grenze überschritten. Vor allem wenn man sieht, was als Alternative bereitsteht: Softball etwa, eine Kampfsportart namens Wushu oder Wakeboarden oder Rollschuhsport.

Doch am Ende geht es vor allem um Geld, nicht um Tradition. Das IOC ist ein milliardenschwerer Konzern. Mit der Aufnahme von Golf und Rugby für die Spiele 2016 hat sich schon auf andere Art gezeigt, welchen Weg man einschlägt: Blockbuster statt Programmkino. Und wer sich nicht den Anforderungen der Sponsoren und des Fernsehens unterwirft, für den ist kein Platz bei Olympia – siehe Ringen.