Das Internationale Olympische Komitee hat die Entscheidung über den Ausschluss russischer Athleten und Funktionäre von den Sommerspielen in Rio vertagt – und damit die große Chance vertan, etwas für die Glaubwürdigkeit des Sports zu tun. Ein Kommentar von Jochen Klingovsky.

Stuttgart - Wer sich die Besetzung des Gremiums anschaut, das am Dienstag über einen Olympia-Ausschluss russischer Athleten und Funktionäre beriet, den kann dieses Zögern und Zaudern nicht überraschen. In der 15-köpfigen Exekutive des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) sitzen neben Boss Thomas Bach, einem Freund von Russlands Präsident Wladimir Putin, zum Beispiel Wu Ching-Kuo (Taiwan), Patrick Hickey (Irland) und Yu Zaiqing (China). Ching-Kuo ist nicht nur der umstrittene Chef des Internationalen Box-Verbandes, sondern auch Träger des Verdienstordens der russischen Regierung. Hickey hofft als Chef des Europäischen Olympischen Komitees, dass Russland seine Europaspiele aufpeppt. Und Zaiqing pflegt mit seinem Land traditionell engste Kontakte zu Russland. Unabhängigkeit ist etwas anderes – entsprechend fiel das Ergebnis der Beratung der IOC-Exekutivmitglieder aus.

 

Statt ein klares Zeichen gegen den Betrug zu setzen, vertagte das Gremium die Entscheidung darüber, ob die Systemdoper aus Russland in Rio starten dürfen – angesichts der vorliegenden Beweise über den perfiden Betrug der Sport-Weltmacht, an dem unter anderem bei den Winterspielen 2014 in Sotschi sogar der Geheimdienst beteiligt war, ist diese Entscheidung nicht nur ernüchternd. Sie ist ein Schlag ins Gesicht aller Anti-Doping-Kämpfer.

Das IOC hat die Chance verpasst, die stark ramponierte Glaubwürdigkeit des Sports zumindest in Teilen wiederherzustellen. Wer stets davon spricht, saubere Sportler schützen zu wollen, der muss den Worten irgendwann Taten folgen lassen. Einen besseren Zeitpunkt dafür hätte es nicht geben können.