Für die lärm- und staubgeplagten Anwohner ist die Auseinandersetzung mit der Bahn wie ein Kampf gegen Windmühlen. Auch die Stadt lässt die betroffenen Bürger alleine, kritisiert unser Redakteur Thomas Durchdenwald.

Stuttgart - Angesichts der unübersehbaren, aber immer wieder geleugneten Zeit- und Kostenprobleme und der beängstigend langen Pleiten-Pech-und-Pannen-Serie lässt sich schon immer mit einiger Berechtigung behaupten, dass Stuttgart 21 Staub aufwirbelt. Doch nie war es so wahr wie heute: Am Portal der Rettungszufahrt neben dem Wagenburgtunnel hängt seit Wochen Staub in der Luft, im sonnigen Gegenlicht bekommt der Gebhard-Müller-Platz ein sandfeines Kleid.

 

Die Mär von den Tunnelarbeiten

Heute tun Projektverantwortliche so, als sei das keine Überraschung. Vor der Volksabstimmung haben aber viele Befürworter bis hin zum damaligen Oberbürgermeister Wolfgang Schuster gerne davon gesprochen, dass die Stuttgarter von den Tunnelbauarbeiten nichts mitbekommen würden, weil sie ja unter der Erde stattfänden. Das war in etwa so wirklichkeitsnah wie die Auskünfte der Bahn bei S-Bahn-Störungen. In Unter- und Obertürkheim, im Stuttgarter Norden und in Wangen sind Anwohner Lärmbelastungen aus den Tunnelbaustellen ausgesetzt, wie sie eigentlich ausgeschlossen sein sollten. Und auch wenn sich die Bahn um Lösungen bemüht – wirkliche Abhilfe hat sie bisher in keinem der Fälle schaffen können. Wie auch, wenn in einer dicht besiedelten Großstadt Millionen Kubikmeter von Erde bewegt werden müssen? Auch im Kernerviertel ist man dem lauten Lärm von der S-21-Baustelle am Hauptbahnhof ausgesetzt; jetzt kommt der Staub hinzu.

Tatenlosigkeit im Rathaus

Viele werden zu Recht sagen: Wenn gebaut wird, dann ist es eben laut und dreckig. Und natürlich: Wo gehobelt wird, fallen Späne. Ein Projekt wie Stuttgart 21 in einer Großstadt zu verwirklichen, ohne dass es Auswirkungen gäbe – diese Vorstellung ist weltfremd. Doch von dieser Welt sind die Aussagen und die Auflagen aus den Genehmigungen, auf die sich die Anwohner glaubten verlassen zu können, aber jetzt sind sie verlassen. Ohne unabhängige Kontrolle agiert die Bahn, wie ein Bauherr agiert, für den der erfolgreiche Bauablauf an erster Stelle rangiert. Natürlich gibt es Ansprechpartner für die Bürger, aber es fehlen amtliche Mitstreiter, die deren Anliegen kraftvoll vertreten und die der Bahn auch unbequeme, weil Zeit und Geld kostende Maßnahmen abverlangen können. Die von den S-21-Bauarbeiten betroffenen Anwohner sind nicht nur die Dummen, sie werden auch alleingelassen – vom Eisenbahn-Bundesamt und anderen Behörden, die ansonsten auf alles und jedes einen prüfenden Blick werfen. Auch die Stadt macht sich einmal mehr einen schlanken Fuß und hofft offenbar, dass die Staubwolken die Tatenlosigkeit des Rathauses verhüllen.