Spaniens neuer König Felipe will die Bevölkerung für sich und die Monarchie gewinnen. Sein erster öffentlicher Auftritt lässt daran zweifeln, ob ihm das gelingt, analysiert der StZ-Autor Martin Dahms.

Korrespondenten: Martin Dahms (mda)

Madrid – Die Bilder fröhlicher Menschen, die in Madrid ihrem neuen König zujubelten, ihn beklatschten und ihn hochleben ließen, können in die Irre führen. Die wenigsten Spanier sind gerade in Feierlaune. Ihr Land steckt seit sechs Jahren in einer schweren Wirtschaftskrise, Millionen sind arbeitslos, Zehntausende haben ihre Wohnung verloren, viele wissen nicht mehr, wie sie noch über die Runden kommen sollen. Zu den existenziellen Sorgen kommt das sich täglich verschärfende Misstrauen gegen alle öffentlichen Institutionen – die sich in der Wahrnehmung vieler Menschen nur um das eigene und nicht um das Wohl des Gemeinwesens kümmern. Die Mischung aus ökonomischer und politischer Krise ist potenziell explosiv. Und jetzt kommt auch noch das desaströse Ausscheiden der einst umjubelten Nationalmannschaft bei der Fußball-WM hinzu.

 

Bevor sich Felipe VI. in den Straßen der spanischen Hauptstadt feiern ließ, hielt er seine Antrittsrede vor dem Parlament. Sie war seine mit Spannung erwartete Visitenkarte. Seine ersten Worte als König aller Spanier sollten zeigen, wie nah er am Puls seines Volkes ist. Doch Felipe vertat seine Chance. Die Rede, die er hielt, hätte er so auch vor zehn Jahren halten können, als die spanische Welt noch in Ordnung war. Von den sozialen Verwerfungen der jüngsten Zeit scheint der König höchstens am Rande gehört zu haben. Die Krone müsse die Nähe zu den Bürgern suchen, sagte Felipe, sie müsse deren Wertschätzung, deren Respekt und deren Vertrauen gewinnen. Hört man aber seine Worte vor dem spanischen Parlament, ist der König weit weg von der Wirklichkeit der einfachen Menschen.

Der Monarch kommt den Menschen nicht nahe

Das Drama der Krise, die den Alltag dieser Menschen seit Jahren beherrscht, die sie verzagen und um ihre Zukunft fürchten lässt, streifte der Monarch nur mit wenigen Sätzen. Er wolle all denen seine Solidarität aussprechen, die von der Krise hart getroffen und in ihrer Menschenwürde verletzt worden seien. Das waren wichtige und richtige Worte, aber viel zu wenige. Zu sehr erinnern sie an die lapidare Bemerkung seines Vaters Juan Carlos, dass ihm die Jugendarbeitslosigkeit den Schlaf raube – bevor er mit seiner Freundin Corinna zu Sayn-Wittgenstein auf Elefantenjagd ging. Einen vergleichbaren Ausrutscher hat sich Felipe bisher nicht geleistet. Aber er muss wissen, dass ein paar Floskeln über die Krise nicht genug sind. Wenn er wirklich das Vertrauen der Arbeitslosen und Zwangsgeräumten gewinnen will, muss der Palastbewohner Felipe mit jedem Wort und jeder Geste zu verstehen geben, dass er den Ernst der Lage versteht.

Spanies Monarchie wackelt

Felipe versprach eine erneuerte Monarchie für neue Zeiten und hielt zugleich eine Verteidigungsrede auf den Status quo. Er lobte seinen Vater und die anderen Architekten der Transición, des Übergangs von der Franco-Diktatur zur Demokratie. Vor allem lobte er die Monarchie selbst, ihre Unabhängigkeit, ihre politische Neutralität, ihre integrierende Funktion. Er hat damit gar nicht so unrecht. Doch die stetig zunehmende Zahl von Spaniern, die zur Republik zurückkehren möchten, die Franco einst blutig niedertrampelte, kann er mit solch allgemeinen Überlegungen nicht überzeugen. Genauso wenig, wie er die katalanischen und baskischen Separatisten mit seinem Bekenntnis zur „Einheit Spaniens in Vielfalt“ gewinnen kann.

Felipe muss näher an die Menschen heran, viel näher. Er hat am Donnerstag einen Schulaufsatz über Spanien verlesen. Er hätte besser daran getan, eine Reportage zu verfassen, einen schonungslosen Zustandsbericht, der aller Welt gezeigt hätte, dass er die Lage seines Landes so gut kennt wie kein Zweiter.

Spaniens Monarchie wackelt. Sie steht noch nicht kurz vor dem Sturz. Aber wenn Felipe VI. seine Landsleute davon überzeugen will, dass sie ihn wirklich brauchen, wartet sehr viel Arbeit auf ihn.