Die USA, im Kampf gegen Steuer-Hinterzieher fortschrittlich, lobbyieren für ihre Konzerne in Europa, meint StZ-Brüssel-Korrespondent Christopher Ziedler.

Brüssel - Viele Politikfelder gibt es nicht, auf denen die Europäer in den vergangenen Jahren entscheidend vorangekommen sind. Der Kampf gegen die Steuerhinterziehung durch Privatpersonen gehört dazu. Länder wie die Schweiz. Luxemburg oder Liechtenstein haben sich EU-Regeln zum automatischen Informationsaustausch angeschlossen. Bezeichnend dabei ist, dass der entsprechende Handlungsdruck nicht aus Europa kam, sondern aus Amerika. Es war Washington, das über seinen eigenen „Fatca“-Standard, der Banken aus unkooperativen Staaten ernste Konsequenzen auf dem US-Markt androht, der Steuerflucht in Europa einen herben Schlag versetzt hat.

 

Mit derselben Härte gehen die Amerikaner in diesen Tagen vor, wenn es darum geht, Unternehmenssteuern im eigenen Land zu halten – diesmal freilich zum Nachteil der europäischen Steuerzahler. Machtvoll lobbyiert US-Finanzminister Jack Lew bei der EU-Kommission, damit sie ihre Untersuchungen gegen Apple und Amazon einstellen möge und nicht auf die Idee komme, rückwirkend Steuernachzahlungen an Irland und Luxemburg zu fordern, wie das im Falle von Starbucks in den Niederlanden bereits geschehen ist. Der Vorwurf, Brüssel betreibe dabei eine Art von „Steuerrassismus“ gegenüber amerikanischen Konzernen, ist absurd. Es liegt in der Natur der Sache, dass Regierungen bei ausländischen Investoren mit großen Namen vielleicht eher die Grenzen des Erlaubten zu überschreiten bereit sind und allzu großzügiges Entgegenkommen bei bekannten Marken schneller auffliegt – zumal innereuropäische Firmenverlagerungen angesichts der engen Verflechtung auf dem Binnenmarkt anfangs weniger Verdacht in der Öffentlichkeit erregen. Inzwischen laufen jedoch viel mehr Untersuchungen, nicht nur gegen US-Firmen.

Die Unschuldslämmer sollten die Konzerne nicht spielen

Auf die steuerlichen Lockmittel sind sie jedenfalls gerne eingegangen. Strafbar haben sie sich damit nicht gemacht – schließlich sind die Regierungen dafür verantwortlich, welche Vergünstigungen sie gewähren. Die Unschuldslämmer sollten sie, wie jetzt vor dem Untersuchungsausschuss des Europaparlaments, freilich auch nicht spielen. Sie werden zumindest geahnt haben, dass ihre Steuervergünstigungen mehr als lukrativ waren. Und sie schrecken auch nicht davor zurück, den US-Finanzminister für ihre Dinge einzuspannen.

Die Untersuchungen in Brüssel sollten eher noch vorangetrieben werden – im Sinne der europäischen Steuerzahler.