Das Geheimnis des Apple-Gründers Steve Jobs: er hat es riskiert zu scheitern. Ein Kommentar von StZ-Chefredakteur Joachim Dorfs.  

Chefredaktion: Joachim Dorfs (jd)

Stuttgart - Mit Steve Jobs ist nicht nur ein außergewöhnlicher Mensch gestorben, sondern auch ein Vertreter einer sehr seltenen Gattung von Unternehmern. "Das Team ist größer als der Einzelne", lautet einer der Standardsprüche zur Unternehmensführung, der jeder angehenden Führungskraft am ersten Arbeitstag eingebimst wird. Firmen gehen ins Internet, um die "Schwarmintelligenz" zu nutzen, weil die Menge der Internetnutzer angeblich besser weiß, was die Welt braucht. Ganz anders Jobs: Er war der Beweis, dass auch in Zeiten von Globalisierung und Milliardenumsätzen der Einzelne den entscheidenden Unterschied ausmachen kann. Seine Visionen machten Apple zum wertvollsten Unternehmen der Welt. Sein Weg ist der Sieg des Individuums über die Masse, des Genies über das Mittelmaß. Umso bitterer ist, dass er seinen Kampf gegen den Krebs verloren hat.

 

Früher gab es sie noch öfter, die Gründer vom Schlage eines Rockefeller, der an den Siegeszug des Öls glaubte und in großem Stil Petroleumlampen verschenkte. Es gab in Stuttgart und Bad Cannstatt die Herren Bosch und Daimler, die eine Idee hatten, deren 125-Jahr-Jubiläum in diesem Jahr mit großem Pomp begangen wird. Und die Nachkriegszeit ist in Deutschland mit Namen wie Artur Fischer, Reinhold Würth oder Max Grundig und deren Innovationen verbunden. Sie alle hatten eine Idee und gingen ins Risiko. Wären sie nicht erfolgreich gewesen, würde heute niemand mehr ihren Namen kennen.

Wer scheitert, wird schnell stigmatisiert

Steve Jobs hat nicht viele Flops produziert. Einer davon führte dazu, dass er 1985 aus seinem eigenen Unternehmen vertrieben wurde. Heute trägt dieses frühe Scheitern zu dem Nimbus bei, der sich um den charismatischen Pionier aufgebaut hat. Steve Jobs war von jeher bereit, Risiken einzugehen, auch auf die Gefahr des Scheiterns hin. Wahrscheinlich war dies der Hauptgrund für seinen Erfolg. Unternehmen und Gesellschaft - gerade in Deutschland - sind jedoch oft gnadenlos mit dem, der nicht reüssiert. Jeder Bruchpilot trägt mehr zur Entwicklung der Fliegerei bei als die Zuschauer, die dem Absturz beiwohnen und immer schon gewusst haben, dass es so kommen wird.

Wer scheitert, wird schnell stigmatisiert. Entscheidungsträger sichern sich daher immer stärker ab - und werden so auch domestiziert. Wer traut sich noch, wer kann noch eine Entscheidung allein treffen? Eine Produkteinführung ohne intensive Marktforschung? Undenkbar. Eine politische Festlegung ohne vorherige Meinungsforschung? Zu riskant. Wohin die Absicherungsmentalität führt, kann man im Bankensektor besichtigen. Im Vertrauen auf die Kompetenz der Ratingagenturen kauften die Banken vor Jahren gigantische Mengen von Wertpapieren, die sich hinterher als toxisch herausstellten. Die Verantwortung dafür übernahmen die wenigsten Bankchefs - schuld waren die Ratingagenturen. Umgekehrt traut sich heute niemand, Geld an Gläubiger zu verleihen, die von den gleichen Instituten als problematisch bewertet werden.

Steve Jobs dagegen war Marktforschung verhasst. Er dachte streng vom Produkt her, vertraute auch einmal seinem Bauch und ließ sich selbst dann nicht beirren, wenn ihm alle, die es wissen mussten, eine Niederlage vorhersagten. Wer hätte geglaubt, dass es einem Computerkonzern gelingen könnte, den Musikmarkt im Internet neu zu regeln, sich gegen die Übermacht der etablierten Mobiltelefonhersteller durchzusetzen oder den schon lange für aussichtslos erklärten Markt für Tablet-PCs zu beleben? Seine Stärke war, dass er sich mit einer gewaltigen Portion Sturheit und Willensstärke über solche Widerstände hinwegsetzte. Klar war aber auch, dass ein großer Misserfolg ihn erneut hätte aus dem Unternehmen spülen können. Dann hätte er das getan, was offenbar seine Natur war: Er hätte die Verantwortung übernommen.