Das Volksbegehren war erfolgreich, Bayern wird die Studiengebühren abschaffen: wieder mal siegt eine Politik von unten, kommentiert StZ-Korrespondent Mirko Weber.
München - Am Montag hatte es noch relativ mau ausgeschaut in Sachen Volksbegehren gegen die Studiengebühren. Im Schneematsch und teils mit leicht resigniertem Gesichtsausdruck standen da die Wahlwerber beispielsweise vor dem Münchner Rathaus. Mitte der Woche allerdings änderte sich das Bild. Weil auch die Leute auf dem Land einigermaßen mitzogen, kam Hoffnung auf, es könnten doch noch die erforderlichen zehn Prozent der Wahlberechtigten in Bayern werden. Nun wuchsen manchem im kurzfristigen Frühlingsrückenwind noch Flügel. Am Ende hat das Volksbegehren-Bündnis 14,4 Prozent anlässlich einer Frage gesammelt, die beileibe nicht den überwiegenden Teil der Bevölkerung angeht, und es wird nun im Freistaat eine Volksabstimmung geben, die im Ergebnis höchstwahrscheinlich die Abschaffung der Studiengebühren zeitigt. Es sei denn, das Parlament einigte sich vorher auf dasselbe Ergebnis.
Über die bayerischen Hochschulbelange hinaus zeigt das Abstimmungsverhalten in eine Richtung, die auch anderswo in der Republik auszumachen ist. Nimmt der Verdruss gegenüber bestimmten politischen Beschlüssen zu, findet sich eine Gruppierung, die nach Alternativen sucht, um neue Mehrheiten zu schaffen. Dass Volksabstimmungen kein Allheilmittel sind, um getroffene Entscheidungen zu revidieren, versteht sich. Aber als Zeichen muss man sie allemal ernst nehmen. Irgendetwas muss ja vorher in der Politik gewaltig schiefgelaufen sein, dass ein Volksbegehren überhaupt auf den Weg kommt.
Vor allem die Freien Wähler trieben das Volksbegehren voran
In Bayern, wo die Uhren immer noch ein wenig anders gehen, richtete sich der Protest gegen die Hochschulgebühren – seinerzeit noch vom Kabinett unter Vorsitz von Edmund Stoiber beschlossen – erst relativ spät gegen die Staatsregierung. Interessant ist, von wem der Anstoß zum Widerstand kam. Es waren, wie in mancherlei Fragen, die das praktische Leben betreffen, als Organisatoren die Freien Wähler. Viele von ihnen hatten sich früher in der CSU engagiert, fühlten sich dort aber nicht mehr aufgehoben. Als die Stoiber-CSU 2003 nach dem Gewinn der Zweidrittelmehrheit endgültig jegliche Bodenhaftung verlor, begann der Aufstieg der Freien Wähler. Weitgehend ideologiefrei, was auch erhebliche Nachteile hat, schauen sie pragmatisch auf die Politik von morgen.
Von der CSU aus gesehen war es ein Fehler, sich – was sonst nicht vorkommt – allzu lange hinter der FDP zu verstecken, um schließlich, als seien sie die eigentlichen Erfinder der Abschaffung der Gebühren, doch noch den populistischen Schwenk zu inszenieren: „Der Ausgang des Volksbegehrens überrascht mich nicht“, ließ sich der Ministerpräsident quasimonarchistisch vernehmen. Allerdings muss man sagen, dass Seehofer – ohne Uni ein politischer Selfmademan durch und durch – anders als seine Partei immer schon gegen die Gebühren gewesen ist. Gleichwohl dürfte er es schwer haben, die bestehenden Verhältnisse zu Gunsten der CSU (und selbstverständlich im Hinblick auf die Landtagswahlen) einfach umzukehren.
Die Liberalen wollen Haltung zeigen
Der FDP nämlich käme eine Volksabstimmung ganz gelegen. Sie kann eh nicht mehr viel verlieren und stünde in Bayern wenigstens nicht als Partei der Wortbrüchigen da. Manchmal wird ja eine Haltung vom Bürger schon deswegen gewürdigt, weil es sich wenigstens mal um eine Haltung handelt. Überdies darf die FDP auf den Koalitionsvertrag pochen, den die CSU verletzte, wenn sie mit allen anderen Parteien im Landtag gegen die Gebühren stimmte. Das wäre dann das vorzeitige Ende der Koalition in Bayern.
Andererseits: wenn die FDP bei der Wahl ihr Fett abbekommt, nützt das der CSU immens. Dann reichen ihr weit unter 50 Prozent zur Alleinherrschaft. Aber Vorsicht: Unterschätzung der Wähler, siehe Niedersachsen, war einmal!