Die Lage im syrischen Bürgerkrieg ist zu kompliziert, um daraus ein Wahlkampfthema zu machen, meint der StZ-Redakteur Thomas Maron. Kommt es zu einem Angriff, sieht er Deutschland mit im Krieg. Ob es will oder nicht.

Berlin - Es gibt Fragen, da sehnt man sich nach einfachen Antworten. In Wahlkampfzeiten bemühen sich Politiker, diese schlichten Lösungen anzubieten. Auf all die Fragen, die im syrischen Bürgerkrieg zu beantworten wären, gibt es aber keine einfachen Antworten, sosehr man sie sich auch wünschen mag, um mit seinem Gewissen im Reinen sein zu können. Und so erlaubt sich nur die Linke eine klare Haltung für den Fall der Fälle: Sie ist gegen jede Kriegsbeteiligung Deutschlands. Den anderen Parteien wäre es dagegen am liebsten, der Syrien-Konflikt würde im Wahlkampf keine Rolle spielen.

 

Aber das wird nicht mehr gehen. Jedenfalls dann nicht, wenn US-Marschflugkörper, unterstützt von britischem und französischem Kriegsgerät, Stellungen des syrischen Diktators Assad angreifen sollten. Die einen werden dann sagen: Bringt diesen Menschenverächter, der angeblich Kinder mit Giftgas umgebracht hat, zur Strecke. Die anderen werden einen Militärschlag ablehnen. Selbst unter jenen, die ein Bombardement gutheißen, werden freilich viele der Ansicht sein, dass die Bundeswehr in diesem Konflikt nichts zu suchen habe.

Ein Militärschlag birgt unabsehbare Risiken

Wer verantwortungsvoll regieren will, der kann es deshalb kaum jemandem Recht machen – und schon gar nicht die Sehnsucht stillen, es möge gerecht zugehen in dieser Welt. Ein Militärschlag, so begrenzt er auch geplant sein mag, birgt unabsehbare Risiken in einem Konflikt, in dem sich die alten Frontlinien des Kalten Krieges mit den neuen Frontlinien der Glaubenskrieger unheilvoll kreuzen. Wie wird Israel agieren, wenn der Iran seine Unterstützung für Assad intensiviert oder Hisbollah-Granaten aus dem Libanon in Israel Angst und Schrecken auslösen? Was macht Russland, das Assad nach wie vor aufrüstet?

Abgesehen davon: Auf welche Seite will man sich in Syrien eigentlich schlagen? Al Kaida? Hisbollah? Al-Nusra-Brigaden? Assad? Es ist unmöglich Gut und Böse auf diesem Schlachtfeld auseinanderzuhalten und die einzig sichere Erkenntnis ist, dass hier ein ganzes Volk den undurchsichtigen religiösen und geostrategischen Interessen verfeindeter Regional- und Weltmächte geopfert wird. Das ist parteiübergreifend die plausible Einschätzung der Lage.

Das Sterben wird weiter gehen

Deutschland kann sich aber auch nicht schadlos aus Bündnissen lösen, die das Land über Jahrzehnte getragen haben. Mit der Libyen-Enthaltung im Sicherheitsrat hat sich Schwarz-Gelb schon einmal isoliert. Seit dieser Panne scheren sich Franzosen und Briten kaum um die deutsche Position, wenn es um Krieg und Frieden geht. US-Präsident Barack Obama hat wiederum ganz andere Probleme, als dass ihn der Rat von Außenminister Guido Westerwelle kümmern müsste. Er könnte sich zum Handeln gezwungen sehen, weil er die Torheit beging, eine rote Linie zu ziehen, die ihm Handlungsspielräume raubt.

Sollte Obama gemeinsam mit einer Koalition der Willigen oder im Nato-Verbund den Schlag wagen, befindet sich Deutschland im Krieg, ob es will oder nicht. Denn an der Grenze zu Syrien stehen auf türkischer Seite deutsche Patriot-Stellungen, die vor Assads Raketen schützen sollen. Und wenn sich der Einsatz nicht zeitlich begrenzen lassen sollte, wird weitere Unterstützung gefragt sein: Awacs-Aufklärung und medizinische Versorgung zum Beispiel. Deutschland wird helfen, wenn Kanzlerin Angela Merkel im Bündnis den weiteren Gang der Dinge beeinflussen will. Auch die SPD, die 2002 mit einem klaren Kurs gegen den Irakkrieg punktete, wird sich dieser Logik nicht entziehen, solange Ex-Außenminister Frank-Walter Steinmeier ein Wörtchen mitzureden hat. Das alles ist beklemmend, frustrierend, schon gar nicht wahlkampftauglich, denn das Sterben wird weitergehen. Es zu beenden liegt aber nicht allein in deutscher Hand. Wenigstens das ist, auch mit Blick auf die deutsche Geschichte, vielleicht ganz gut so.